Pharmaunternehmen dringen auf geheime Rabatte

Ärger in Berlin: Das AMNOG sieht Preisverhandlungen zwischen Herstellern und dem GKV-Spitzenverband vor. Das Problem: Sollen die verhandelten Rabatte am Ende veröffentlicht werden oder geheim bleiben?

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Dürfen am Ende alle wissen, was ein Arzneimittel kostet? Die Pharmaindustrie ist alarmiert.

Dürfen am Ende alle wissen, was ein Arzneimittel kostet? Die Pharmaindustrie ist alarmiert.

© blickwinkel / imago

BERLIN. Die Pharmaindustrie dringt auf eine Geheimhaltung der Rabatte. Diese werden in den Preisverhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Herstellern im Zuge des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) ermittelt.

Die Verhandlungen laufen seit Ende Januar. AstraZeneca stieg als erstes Unternehmen in den Ring. Bis Ende Juni muss dieser Prozess abgeschlossen sein.

Durch Verhandlungen über die Preise neuer Wirkstoffe im Rahmen der frühen Nutzenbewertung erhofft sich die Regierung insgesamt Einsparungen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro pro Jahr.

Preise gelten auch für Selbstzahler und PKV

Inzwischen ist jedoch ein Streit zwischen Kassen und Pharmaindustrie entbrannt, ob die Rabatte öffentlich gemacht werden sollen oder nicht.

Die Preise für Innovationen werden auch für die private Krankenversicherung, Selbstzahler und die Beihilfe gelten. Eine absolute Geheimhaltung könne es also nicht geben, argumentieren die Kassen.

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) sieht das anders: Sollte der vereinbarte Rabatt öffentlich werden, könnten sich die Preise für Arzneien in ganz Europa in einer Spirale nach unten bewegen, sagte vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer in Berlin.

Es komme nicht von ungefähr, dass diejenigen Länder, die bereits Preisverhandlungen eingeführt haben, deren Ergebnisse vertraulich behandelten. Schließlich sei es auch im Alltagsleben so, etwa bei Gehältern, Rabatten oder beim Autokauf, dass beide Seiten die Gewissheit der Vertraulichkeit haben müssen, um zu einem Ergebnis zu kommen, das alle zufriedenstelle.

Unterstützung aus der Wissenschaft

Unterstützung erhält die Pharmaindustrie jetzt aus der Wissenschaft. Auch Professor Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen plädierte für eine gesetzliche Änderung, die die vertrauliche Behandlung des Rabatts sicherstellt. Aber auch er ist der Meinung: Eine absolute Geheimhaltung könne es nicht geben.

Allerdings sei eine vertrauliche Behandlung des Erstattungspreises "leicht durchsetzbar". Die Rabatte, die zwischen GKV-Spitzenverband und Hersteller verhandelt werden, könnten ähnlich wie bei den Rabattverträgen bei Generika über die Apothekenrechenzentren eingesammelt werden.

Für PKV-Versicherte sei die Abwicklung über die Abrechnungsstelle Zesar möglich. Diese habe sich inzwischen als zentrale Stelle für Arzneimittelrabatte in der PKV etabliert.

Es gebe aber eine wichtige Voraussetzung, ergänzte Wasem. Die Beteiligten müssten gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. Das Beispiel der Rabattverträge zeige, dass mehrere Vertragspartner aufseiten der Krankenkassen zugleich zu Vertraulichkeit verpflichtet werden können.

Zudem müssten die Hersteller die Rabatte ihrer Mitbewerber erfahren. Das sei für die jeweilige Vergleichstherapie in der Nutzenbewertung notwendig. Probleme könne es aber bei den Selbstzahlern geben, räumte Wasem ein.

Koalition: Geheimhaltung ist "überlegenswert"

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), reagierte verhalten auf den Vorschlag. Grundsätzlich sei es "überlegenswert", die Preise geheim zu halten. Vor allem dann, wenn die Hersteller zu größeren Rabatten bereit sind. Jedoch müsse der Vorschlag leicht umsetzbar sein.

Vfa-Hauptgeschäftsführerin Fischer widersprach: Die Koalition dürfe nicht vor Entscheidungen zurückschrecken, weil die Umsetzung zu kompliziert sei.

Die Konsequenzen würden auf Deutschland wie ein Bumerang zurückschlagen, argumentierte sie. Andere Standorte könnten sonst für die Forschung attraktiver werden.

Sprecher des GKV-Spitzenverbandes: AMNOG gilt

Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, sagte zur Ärzte Zeitung: "Das AMNOG-Gesetz gilt und es sollte jetzt ersteinmal umgesetzt werden. Da hilft es nicht, wenn Leute, die an der Verhandlung gar nicht beteiligt waren, über angebliche Erfahrungen aus diesen Verhandlungen berichten. Weder Frau Fischer noch ihr Verband waren an der ersten Verhandlungsrunde beteiligt."

Die Frage der Vergleichsländer liege jetzt bei der Schiedsstelle. "Das ist vom Gesetz so vorgesehen. Wir fordern die Lobby-Verbände der Pharmaindustrie auf, dieses gesetzliche Vorgehen zu akzeptieren."

Die gewünschte Geheimniskrämerei der Pharmaindustrie ginge vor allem zu Lasten der Privatversicherten. Denn die müssten in der Apotheke mehr Geld auf den Tisch legen, als das Medikament eigentlich kostet. Erst bei der Rückerstattung bekämen sie dann ihr zu viel bezahltes Geld zurück, so Lanz.

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