Arztinformation

Bitte nicht mit Verordnungs-Infos überfrachten!

Bessere Information von Ärzten über die Nutzenbewertung ist eine gute Idee. Wer da noch Verordnungshinweise draufpacken will, überfordert das System.

Von Dr. Jürgen Bausch Veröffentlicht:
Bitte nicht mit Verordnungs-Infos überfrachten!

© cevahir87 / Fotolia

Kommenden Mittwoch wird der Gesundheitsausschuss des Bundestages Experten zum Entwurf des Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes anhören (AMVSG).

Darin macht der Gesetzgeber den Vorschlag, dass Vertragsärzte künftig durch ihre Praxisverwaltungssysteme über die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur frühen Nutzenbewertung informiert werden. In der Vergangenheit ist vielfach kritisiert worden, dass Vertragsärzte die Inhalte dieser Beschlüsse zu wenig kennen. Zugleich soll auf diesem Weg auch die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch Hinweise befördert werden.

Dagegen regt sich aus guten Gründen Widerstand. Denn bei der Umwandlung der schwer lesbaren GBA-Beschlüsse in elektronisch verwertbare Botschaften an die Ärzte mit Hilfe des Praxisverwaltungssystems entstehen ohnehin mehrere schwer lösbare Umsetzungsprobleme.

Diesen Regelkreis zusätzlich mit Hinweisen zur wirtschaftlichen Verordnung in der Praxis zu verknüpfen, ist absolut kontraindiziert: Die AMNOG-Systematik wurde 2010 geschaffen, um eine Basis für Preisverhandlungen der Kassen mit den Herstellern zu schaffen. Weil aber die Kassen mit dem ursprünglichen Ziel des Gesetzgebers nicht zufrieden sind, versuchen sie nun in uralter Tradition, die Ärzte via Wirtschaftlichkeitsgebot in Haft zu nehmen, obwohl sie an dem Nutzenbewertungsprozess vollumfänglich beteiligt sind.

Es ist symptomatisch, dass der Spitzenverband sehr selten bei den Preisverhandlungen mit dem Hersteller von der Möglichkeit Gebrauch macht, eine "Praxisbesonderheit" zu vereinbaren, wie es eigentlich politisch vorgegeben war. Und dies trotz "erheblicher" und "beträchtlicher" Ergebnisse bei der frühen Nutzenbewertung. Weiterhin stehen die Kassen nicht zu dem Mischpreis, den sie bei divergierenden Subgruppenbewertungen ausgehandelt haben. Sie halten Arzneien für unwirtschaftlich, denen ein Zusatznutzen – aus welchen Gründen auch immer – vom GBA nicht zugebilligt wurde. Das ist ärgerlich aus folgenden Gründen:

"Zusatznutzen ist nicht belegt" ist nicht ein Synonym für "Nutzlosigkeit", sondern ein Ergebnis einer bestimmten formalen systematischen Bewertungsprozedur einer angesehenen HTA-Institution.

Unter den Wirkstoffen "ohne Zusatznutzen" befinden sich solche, deren Nutzlosigkeit durch Studien im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie (zVT) erwiesen ist. Diese braucht kein Mensch.

Es befinden sich mehrheitlich jedoch solche Wirkstoffe darunter, die in den Studien ebenbürtig zur zVT sind, aber nicht überlegen. Solche gleichwertigen Arzneien sind nutzbare Alternativen, wenn Patienten die zVT nicht vertragen oder diese nicht wirkt. Das alles ist sehr im Sinne der GKV-Versicherten.

Und unter den Arzneien ohne anerkannten Zusatznutzen finden sich viele, die in ihren jeweiligen Subgruppen nur deswegen keinen Zusatznutzen zeigen konnten, weil die dafür notwendigen Studien nicht vorlagen oder die Probandenzahl zu gering gewesen ist. Der Wirkstoff selbst jedoch ist mit seinem Indikationsgebiet in Deutschland zugelassen und damit nach ärztlicher Erwägung im Einzelfall verordnungsfähig. Wenn auch verbunden mit der Gefahr, das Verordnungshandeln begründen zu müssen.

Das alles ist zu kompliziert, um sachgerecht in einem leicht lesbaren elektronischen Arztinformationssystem zusätzlich zu den zum Teil komplexen Ergebnissen der GBA-Beschlüsse transportiert werden zu können. Die Kassen haben nicht ohne Grund ihren Vorschlag für ein "Ampelsystem" wieder zurückgezogen.

Daher mein Vorschlag: Ja zur Information über GBA-Beschlüsse im Arztinformationssystem, Nein zu Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise an dieser Stelle.

Das erleichtert die Informationsvermittlung, die ohnehin schwierig genug umzusetzen ist, und belässt die wirtschaftliche Verordnungsweise dort, wo sie seit über 100 Jahren angesiedelt ist. Bei der Selbstverwaltung.

Dr. Jürgen Bausch, früheres KBV-Vorstandsmitglied und Ehrenvorsitzender der KV Hessen, war viele Jahre als Arzneimittelexperte im Gemeinsamen Bundesausschuss tätig.

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