Ab heute:

Ärzte dürfen Cannabis auf Rezept verschreiben

Cannabis auf Kassenrezept: An diesem Freitag (10. März) ist das entsprechende Gesetz in Kraft getreten. Pharmavertreter sprechen von einer "soliden Rechtslage".

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Ärzte dürfen künftig Cannabis auf Rezept verschreiben.

Ärzte dürfen künftig Cannabis auf Rezept verschreiben.

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BERLIN. Schwerkranke Patienten erhalten Cannabis-Arzneimittel fortan in der Apotheke auf Rezept. Die Kosten übernimmt damit die gesetzliche Krankenversicherung. Das entsprechende Gesetz trat am Freitag, 10. März, in Kraft. Es war im Januar vom Bundestag einstimmig verabschiedet worden.

Wer Cannabis als Heilmittel konsumieren wollte, brauchte bisher eine Ausnahmegenehmigung, zum Beispiel Schmerzpatienten. Die hohen Kosten mussten die Patienten in der Regel selbst tragen.

Eine Ausnahmeerlaubnis ist nunmehr dank des neuen Gesetzes nicht mehr nötig: Künftig erhalten Patienten getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte in kontrollierter Qualität auf ärztliche Verschreibung hin. Weiterhin können Ärzte Fertigarzneimittel auf Cannabisbasis verschreiben.

Für die Versicherten wird zudem ein Anspruch auf Versorgung mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon geschaffen. Die Regelungen beschränken sich laut Gesetz auf "eng begrenzte Ausnahmefälle", dazu zählen Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen und ohne Therapiealternativen.

Um die Versorgung sicherzustellen, wird der Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland ermöglicht. Geplant ist dazu der Aufbau einer staatlichen Cannabisagentur, die den Anbau und Vertrieb koordiniert und kontrolliert. Diese Aufgabe wird dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte übertragen.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) begrüßt den "soliden Rechtsrahmen" für die Versorgung schwerstkranker Patienten. Das Leiden schwerkranker Patienten, für die keine andere Therapie zur Verfügung stehe, werde dadurch erheblich gelindert, sagte BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Norbert Gerbsch. "Mit dem Gesetz wird Cannabis offiziell als Medikament anerkannt. Dieser Schritt stärkt die Rechte des Patienten und die Verantwortungshoheit des Arztes in der Therapie", so Gersch.

Er merkte zudem an, für das in der Apotheke zu medizinischen Zwecken erhältliche Cannabis würden alle Grundsätze der Arzneimittelsicherheit gelten, genauso wie die betäubungsmittelrechtlichen, arzneimittel- und apothekenrechtlichen Anforderungen. Cannabis als Rauschmittel bleibe weiterhin verboten, betonte der BPI-Hauptgeschäftsführer.

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ABDA veröffentlichte ein Faktenblatt zu Rezepturarzneimittel mit Cannabis.

(eb)

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 13.03.201700:44 Uhr

Cannabis-Blüten-Freigabe auf GKV-BTM-Kassenrezept am 10.3.2017

Freigabe von Cannabis-Blüten auf ärztlichem GKV-BTM-Kassenrezept?

Im Detail: "Mit einem kleinen Dosierlöffel könne der Patient die pulverisierten Blüten genau abmessen"?? Wer soll das denn kontrollieren? Etwa die Hausarztpraxen durch möglichst honorarfreies, "niedrigschwelliges Aufsuchen" und persönliche ärztliche Inaugenscheinnahme? Was ist denn der Unterschied zwischen: "Cannabis könne mittels elektrischer Verdampfer inhaliert oder nach einer wässrigen Abkochung als ''Tee'' getrunken werden" und: "Das Rauchen als ''Joint'' oder das Einbacken von Cannabis in Kekse seien für medizinische Zwecke völlig ungeeignet"? Das ist doch eine völlig weltfremd-abstruse Fehleinschätzung! Vgl. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/73558/Medizinisches-Cannabis-kann-ab-heute-verordnet-werden

Pharmazeutisches Mittelalter?

Die aktuelle Freigabe von Cannabis-Blüten auf ärztlichem GKV-BTM-Kassenrezept mit Genehmigungsvorbehalt bzw. Genehmigungsverfahren durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gesetzlichen Krankenkassen ist nicht nur eine politische gewollte Bloßstellung medizinischer Kompetenz und Professionalität, sondern auch noch ein Rückschritt ins pharmazeutische Mittelalter: Damals waren Pflanzen-Auszüge aus Wurzeln, Blättern, Trieben, Blüten, Essenzen, Abkochungen, Kräuterauszüge, Gewürzmischungen mit stark schwankenden oder unkontrollierbaren Wirkungen in der Wunderheiler-Szene en vogue. Mit rationaler Pharmakotherapie und aufgeklärter, moderner Pharmazie hat gesundheitspolitisch freigegebener Cannabis-Blüten-Konsum auf Rezept absolut nichts mehr gemeinsam.

Cannabis-Freigabe und Zeitgeist?

Wenn dieser "Stoff" angeblich so positive Effekte bei Kranken haben soll, könnten das doch auch die Gesunden ohne Restriktionen genießen! Extrem Zeitgeist-verdächtig und medizinisch fragwürdig: Es gibt mittlerweile ein Füllhorn von Diagnosen, Krankheits- und Befindlichkeitsstörungen, bei denen u. a. Cannabis-Blüten geradezu inflationär als Allheilmittel angepriesen werden. Etablierte Indikationen für Cannabis-basierte Medikamente seien "chronische Schmer­zen, Spastik bei multipler Sklerose, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen".

Blühendes, breiteres thera­peutisches Spektrum?

"Darüber hinaus wird allgemein angenommen, dass Cannabis ein sehr breites thera­peutisches Spektrum hat, wie Kirsten Müller-Vahl und Franjo Grotenhermen im Deutschen Ärzteblatt Dtsch Arztebl 2017; 114(8): A-352 / B-306 / C-300 berichten". Ich zitiere die beiden letztgenannten Autoren wie folgt: "Bereits aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, im Gesetz einzelne Indikationen aufzuführen, wird deutlich, dass bis heute unbekannt ist, bei welchen Erkrankungen oder Symptomen Cannabis indiziert ist. Aktuell besteht für Cannabis für keine einzige Indikation eine Zulassung. In den Jahren 2007 bis 2016 erhielten allerdings Patienten mit mehr als 50 verschiedenen Erkrankungen/Symptomen eine Ausnahmeerlaubnis vom BfArM für eine ärztlich begleitete Selbsttherapie mit Medizinal-Cannabis. Es wird daher allgemein angenommen, dass Cannabis ein sehr breites therapeutisches Spektrum hat."

Weitere positive Wirkungen?

"Als etablierte Indikationen für Cannabis-basierte Medikamente gelten chronische – insbesondere neuropathische – Schmerzen, Spastik bei MS, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen. Hinweise für positive Wirkungen reichen von neurologischen (Spastik und Schmerzen unterschiedlicher Ursachen, hyperkinetische Bewegungsstörungen), über dermatologische (Neurodermitis, Psoriasis, Akne inversa, Hyperhidrosis), ophthalmologische (Glaukom) und internistische (Arthritis, Colitis ulzerosa, Morbus Crohn) bis hin zu psychiatrischen Erkrankungen/Symptomen (Depressionen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörung, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung [ADHS], Schlafstörungen)." http://m.aerzteblatt.de/print/186476.htm

Extreme Wirkstoff-Schwankungen

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