Frühe Nutzenbewertung

Hecken ändert die Regeln

So lernt das System AMNOG: Die Regeln der frühen Nutzenbewertung von Arzneien sind nicht in Stein gemeißelt. Jetzt hat der GBA Änderungen angekündigt.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
"GBA und Industrie müssen sich zusammenraufen", findet GBA-Chef Josef Hecken.

"GBA und Industrie müssen sich zusammenraufen", findet GBA-Chef Josef Hecken.

© Becker&Bredel / imago

BERLIN. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) kommt Pharmaunternehmen entgegen.

Nicht vollständig eingereichte Unterlagen für die frühe Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) eines neuen Wirkstoffs sollen künftig nicht mehr zum sofortigen Abbruch des Bewertungsverfahrens führen. Dies hat der unparteiische Vorsitzende des GBA, Josef Hecken, am Mittwoch in Berlin angekündigt.

Der Ausschuss werde die Regeln dahingehend auslegen, Unterlagen auch noch im laufenden Verfahren nachzufordern.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werde allerdings nur dann angewendet, wenn Lücken in einem Dossier lediglich die Form verletzten und inhaltlich irrelevant seien, sagte Hecken.

Industrie und GBA müssten sich zusammenraufen

Lebensverlängerung versus schwere Nebenwirkungen. Hecken berichtete, dass der GBA an einem Verfahren arbeite, Nutzen und Nebenwirkungen eines Wirkstoffs in der Bewertung zu saldieren.

"Es lohnt sich, vom Bauchgefühl wegzukommen", sagte Hecken vor Vertretern der Pharmaindustrie, der Kassen und Ärzten beim "Branchentreff Onkologie".

Er vertrete nicht die Ansicht, wie von Industrieseite geäußert, dass das Recht auf Leben das Recht auf Leben in Würde aussteche. In diesem Punkt müssten sich Industrie und GBA "zusammenraufen". Gespräche fänden statt.

Als Kompromiss schlug Hecken vor, dass bestimmte Onkologika nur an Zentren verordnet werden dürften und dass durch Gensequenzierungen diejenigen Patienten, bei denen mit starken Nebenwirkungen zu rechnen sei, identifiziert werden sollten.

Vorschlag: Neue Wirkstoffe in Prüfzentren testen

AMNOG in Zahlen

Verfahren: 28 Verfahren sind abgeschlossen, ein weiteres kommt kommende Woche hinzu. In mehr als 20 Prozent der Verfahren hat der GBA zumindest für eine Patientenpopulation einen beträchtlichen Zusatznutzen erkannt.

Onkologika: Acht Onkologika waren bislang in der frühen Nutzenbewertung. Drei Mal gab es einen beträchtlichen, zwei Mal einen geringen Zusatznutzen.

Preisverhandlungen: Elf Verfahren sind im Stadium der Erstattungspreisverhandlungen zwischen Unternehmen und Kassen. Eines davon landete bei der Schiedsstelle.

Orphan Drugs stehen unter Beobachtung des GBA. Diese Wirkstoffe fallen unter eine erleichterte Zulassung. Es gebe einen bedenklichen Anstieg, möglicherweise eine "Flucht in Orphan Drugs".

Der Ausschuss prüfe derzeit, ob die Hersteller die Anwendungsgebiete mancher Wirkstoffe bewusst verkleinerten, sagte Hecken. Gegebenenfalls müsse der Gesetzgeber die Grenzen für die Zulassung von Wirkstoffen als Orphan Drugs verändern. Derzeit liegt sie bei fünf Patienten je 10.000 Einwohner.

Blockbuster werden nicht die bevorzugte Zielgruppe einer Nutzenbewertung im Bestandsmarkt, kündigte Hecken an. Oft seien diese Wirkstoffe die Standardtherapie. Zweckmäßige Vergleichstherapien seien nur schwer dagegenzusetzen.

Die frühe Nutzenbewertung und die Versorgungsforschung zu verzahnen, schlug Professor Axel Heyll vom MDK Nordrhein vor.

Neue Wirkstoffe sollten nach dem AMNOG-Verfahren zunächst in Prüfzentren getestet, die allgemeine Verordnungsfähigkeit erst attestiert werden, wenn alle Anwendungsfragen geklärt seien.

"Eine umfassende Bewertung für die Gesamtpopulation auf Basis der Zulassungsstudien zu treffen, ist nicht möglich", sagte Heyll.

Lesen Sie dazu auch: Innovationen in der Nutzenbewertung: Zwischen Klippen und Chancen

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