NHS in der Krise

Patienten stehen Schlange

Im Winter steigen in Großbritannien die Patientenzahlen in Kliniken. Die Folgen sind lebensgefährlich.

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LONDON. In Großbritannien müssen schwer kranke Patienten derzeit eine Stunde oder länger in Rettungswagen auf der Straße warten, weil die Notaufnahmen und Stationen in den staatlichen Kliniken überfüllt sind.

Jeder vierte Notfallpatient, der mit Blaulicht im Rettungswagen eingeliefert wird, muss 30 Minuten oder länger vor der Klinik ausharren. Ärzte sprechend von "der schlimmsten Krise in der Geschichte" des staatlichen Gesundheitswesens.

Recherchen im staatlichen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) ergaben, dass in den vergangenen Wochen landesweit mehr als 75.000 Notfallpatienten eine halbe Stunde oder länger vor den Kliniken im Rettungswagen warten mussten, weil die Notaufnahmen überfüllt sind. Einige Patienten mussten bis zu fünf Stunden warten.Stichproben der "Ärzte Zeitung" in zwei großen Londoner NHS-Kliniken (St. Thomas und Guys Hospital) ergaben, dass vor den Kliniken Warteschlangen von vier oder mehr Rettungswagen stehen, die ihre Patienten nicht den Ärzten übergeben können.

"Die Zustände sind katastrophal und unmenschlich", sagt die Londoner Klinikärztin Dr. Rosena Allin-Khan. "Ich arbeite regelmäßig zehn Stunden oder mehr und of ist es sehr frustrierend, denn wir können Patienten nicht fachgemäß versorgen, weil uns Kapazitäten und Betten fehlen."

Die Ärztin, die seit 2016 im britischen Parlament für die oppositionelle Labour-Partei sitzt, sagt, sie habe in mehr als zehn Jahren als Klinikärztin derart katastrophale Zustände noch nicht gesehen. Das deckt sich mit Beobachtungen in anderen Kliniken landesweit. Besonders im Norden Englands fehlen Betten, Pflegepersonal und Ärzte. Auch die staatliche Primärmedizin ist betroffen, denn Patienten gehen oft lieber zum Hausarzt. "Ich muss die Sprechstunde regelmäßig wegen Überfüllung schließen", klagte eine Londoner Hausärztin im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden landesweit in den vergangenen Wochen rund 80.000 als "nicht dringend" eingestufte Operationen abgesagt, um mehr Platz für Notfälle zu haben. Viele dieser Eingriffe wie Hüftgelenksoperationen wurden weniger als 24 Stunden vor dem Termin gecancelt.

Premierministerin Theresa May entschuldigte sich für die Krise, konnte aber nicht sagen, wann Patienten wieder mit einer besseren Versorgung rechnen können. Für Ärger bei Ärzten und Patienten sorgte ihre Behauptung, der NHS sei "besser als je zuvor" für die im Winter traditionell steigenden Patientenzahlen gewappnet. (ast)

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