Cannabis-Therapie

Joint statt Baguette

In Deutschland darf Cannabis seit knapp zwei Jahren verschrieben werden – anders in Frankreich. Hier ist der Weg für Pro-Cannabis-Ärzte noch weit, doch eine wichtige Hürde ist jetzt genommen.

Denis Durand de BousingenVon Denis Durand de Bousingen Veröffentlicht:
Graffiti auf Wand mit französischer Fahne: In Frankreich darf Cannabis derzeit nicht verschrieben werden.

Graffiti auf Wand mit französischer Fahne: In Frankreich darf Cannabis derzeit nicht verschrieben werden.

© ARTPROXIMO / stock.adobe.com

Cannabis zur Behandlung von Patienten mit Schmerzen und anderen Indikationen findet in immer mehr Ländern nicht nur Befürworter, sondern hat auch eine Rechtsgrundlage für den möglichst niedrigschwelligen Zugang der Patienten zum Medizinalhanf. Seit März 2017 dürfen Ärzte in Deutschland Cannabis zu therapeutischen Zwecken verordnen.

In Europa ist der Zugang zu Medizinalhanf bislang uneinheitlich geregelt. In knapp der Hälfte der Länder gibt es Regeln zum Einsatz von Cannabis für medizinische Zwecke. Die spezialisierte Cannabisindustrie, die auch den legalisierten Markt in Kanada und anderen Orten im Blick hat, verspricht sich eine stetig steigende Nachfrage und investiert kräftig in Anbaukapazitäten.

Ein solcher Nachfrageschub nach medizinischem Cannabis könnte nun auch von Frankreich kommen. Dort ist das Rauchen von Cannabis noch immer verboten und strafbar – obgleich die Franzosen in Europa zu den größten Cannabiskonsumenten gehören.

Eine mögliche Nutzung für medizinische Zwecke erhält nun aber Rückenwind: Immer mehr französische Ärzte fordern die Regierung auf, die Nutzung von Medizinalcannabis zu genehmigen. Für eine Zulassung bei bestimmten Indikationen hatte sich kurz vor Weihnachten ein Expertenausschuss im Auftrag der nationalen Gesundheitsbehörden ausgesprochen – wenngleich es bis zu einer ministeriellen Entscheidung noch Monate dauern könnte.

Seit einigen Jahren darf bereits ein Cannabispräparat aus medizinischen Gründen verschrieben werden – ein Dronabinol-Saft mit der Bezeichnung „Marinol“, der gegen Erbrechen und Übelkeit verschrieben werden kann. Da dessen Wirkung umstritten ist, wird er jedoch nur selten eingesetzt. Zudem wartet das Nabiximol-Mittel „Sativex“ seit 2014 auf Zulassung, ein Streit mit dem Hersteller verhinderte dies bislang.

Studien zur Nutzung gefordert

Patienten und Ärztevereine setzen sich vor allem in Paris und Straßburg aktiv und offen für medizinisches Cannabis ein. So veranstaltet die Ärztevereinigung „Action Sida Ville“ jährlich einen Cannabiskongress, bei dem auch ausländische Ärzte ihre Erfahrungen vorstellen – seit der Zulassung von Medizinalcannabis in Deutschland kommen auch von dort immer mehr Ärzte und Wissenschaftler.

Als Präsidentin der Vereinigung fordert die Ärztin Dr. Anny Zorn unabhängige Studien, die die Vorteile der medizinischen Nutzung beweisen könnten. Sie bedauere, französische Behörden hätten bisher fast ausschließlich über Nachteile und Gefahren von Cannabis berichtet.

So lehne die nationale Akademie für Medizin weiterhin Lockerungen der Cannabisgesetze ab, vor allem wegen möglichen psychischen Folgen bei Jugendlichen. Laut Zorn empfehlen immer mehr französische Ärzte ihren Patienten, sich medizinisches Cannabis im Ausland zu beschaffen.

Einige verschreiben es sogar auf Rezept. Diese würden zwar nicht in französischen Apotheken, aber problemlos in den Niederländen angenommen, die Patienten bezahlten dann aus eigener Tasche. Zudem stellten Ärzte fest, dass Verbote der Gesundheit mehr schaden, als sie zu fördern: Zigtausende Patienten bestellten medizinisches Cannabis einfach online oder versuchen, es selbst herzustellen. Ähnliche Fälle hatte es auch in Deutschland vor 2017 gegeben.

Expertengruppen prüfen Erlaubnis

Die Eigenproduktion von Patienten hatte 2016 ein Labor der Pharmazeutischen Fakultät Straßburg untersucht. Demzufolge waren Zubereitungsmethoden und Dosierungen des oft online erworbenen Cannabis fast immer falsch, nicht selten inhalierten Patienten deutlich mehr Schadstoffe als nützliche Substanzen.

Eine Zulassung von „seriösem“ Medizinalhanf, so Befürworter, könnte die Situation verbessern. Dies forderten auch viele Apotheker sowie Suchtpraxen und -zentren, daher seien Vereine erfreut über die Stellungnahme des Expertenausschusses.

In diesem Jahr sollen noch mindestens vier Expertengruppen zum Thema tagen, bis sie der Gesundheitsministerin Agnès Buzyn eine Erlaubnis von medizinischem Cannabis vorschlagen könnten. Schon vor Monaten hatte sich die Onkologin Buzyn für eine Zulassung bei bestimmten Indikationen ausgesprochen, als Bedingung müsse aber Nutzen und Harmlosigkeit wissenschaftlich bewiesen werden.

Genau diese Fragen sollen Experten jetzt offiziell dokumentieren. Dann könnten Ärzte auf eine positive Entwicklung hoffen, frühestens 2020. (Mitarbeit dab)

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