Nordrhein

Hausärzteverband erwartet neue Flüchtlingsströme

Trotz aktuell niedriger Flüchtlingszahlen fordert der Hausärzteverband, die Versorgungsprobleme nicht aus den Augen zu verlieren. Ein großes Problem sieht er in der fehlenden kontinuierlichen Dokumentation.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

KÖLN. Die Verantwortlichen in Politik und Gesundheitswesen dürfen angesichts der aktuell niedrigen Flüchtlingszahlen nicht die Hände in den Schoß legen.

Sie müssten jetzt alles dafür tun, um sich auf die sich abzeichnenden Flüchtlingsbewegungen aus Afrika Richtung Europa vorzubereiten, fordert der Hausärzteverband Nordrhein.

"Was wir bisher in Deutschland erlebt haben, ist nur die Spitze des Eisbergs", sagte der stellvertretende Vorsitzende Dr. Oliver Funken beim 15. Nordrheinischen Hausärztetag in Köln.

Aus Afrika würden Millionen von Klimaflüchtlingen kommen. Das stelle die Aufnahmeländer nicht nur von der Dimension her vor große Herausforderungen.

"Sie kommen mit Krankheitsbildern, die wir hier gar nicht kennen. Wir werden sie aber bei uns behandeln müssen."

Kontinuierliche Dokumentation fehlt

Der Hausärzteverband habe damit begonnen, Listen mit den in Frage kommenden Krankheiten zu erstellen, die über Workshops und Qualitätszirkel an die Kollegen gebracht werden sollen. Zum nötigen Wissen gehörten auch kulturelle Unterschiede, die für den Umgang mit Krankheiten und Versorgung eine Rolle spielen.

"Wir müssen interkulturell lernen", sagte Funken.Erforderlich sei zudem eine Information der Flüchtlinge über das deutsche Gesundheitswesen.

So könne verhindert werden, dass sie bei gesundheitlichen Problemen sofort die Klinikambulanz aufsuchen.Die deutschen Patienten dürfen dabei nicht den Eindruck erhalten, sie würden durch die Versorgung der Neuankömmlinge benachteiligt. "Diese Diskussion am Tresen hält keiner aus", warnte er.

Die Aufgaben könne die Ärzteschaft nicht allein stemmen. "Wir brauchen den Schulterschluss mit den großen Trägergesellschaften sowie Städten und Gemeinden."

Die Ärzte müssten auch Sicherheit darüber bekommen, dass sie durch die Behandlung von Flüchtlingen nicht in Regressgefahr geraten, sagte der nordrheinische Verbandsvorsitzende Dr. Dirk Mecking.

Die bislang bei der Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern gemachten Erfahrungen haben nach seiner Einschätzung ein Problem deutlich gemacht: das Fehlen einer kontinuierlichen Dokumentation.

"Der nachbehandelnde Arzt muss wissen, was bei der Erstuntersuchung gemacht wurde und mit welchem Ergebnis."Diese hätte von Anfang an anders geregelt werden müssen, findet Mecking. Er sprach sich für eine Lösung per Cloud aus.

Die wesentlichen Informationen zur Behandlung der Flüchtlinge sollten in der Cloud gespeichert werden. Nur die Patienten selbst sollten Zugang zu den Daten haben, sie aber dem Arzt zur Verfügung stellen können, der sie gegebenenfalls ergänzt.

Datenspeicherung per Cloud?

Das sieht die Leiterin des Kölner Gesundheitsamtes Dr. Anne Bunte kritisch. Man müsse genau prüfen, wer die Cloud aus welchen Gründen zur Verfügung stelle, sagte sie.

Vor allem aber warnte Bunte davor, bei der Dokumentation zu einer speziellen Lösung für Flüchtlinge zu greifen. "Warum soll ich bei Flüchtlingen etwas anders machen als bei allen anderen Patienten, die ich versorge?"

Auch Karl Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender der Geschäftsführung des Malteser Hilfsdienstes (MHD) hält nichts von Sonderregelungen.Wenn die iCloud-Lösung sinnvoll sei, dann sollte sie nicht auf eine Gruppe beschränkt werden, sagte er. "Wir sollten alles vermeiden, was zu einer Parallelgesellschaft führt."

Die Malteser sind seit den 1990-er Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv. "2015 waren wir gefordert wie noch nie in der Geschichte des Malteser Hilfsdienstes." Ohne den Einsatz so vieler ehrenamtlicher Helfer wäre der Einsatz der Hilfsdienste nicht möglich gewesen, betonte er.

Um das Miteinander von ehrenamtlich und hauptamtlich Tätigen zu regeln, könnten die Hospizdienste ein gutes Vorbild sein, sagte Löwenstein zudem. Dort gebe es hauptberufliche Koordinatoren, von denen die Ehrenamtler angeleitet werden.

"Durch eine ähnliche gesetzliche Regelung wie im Hospizbereich bekäme man eine durchschlagende Wirkung und Nachhaltigkeit."

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