Hausärzte

Uneins über die Gesundheitskarte für Flüchtlinge

In Niedersachsen ebbt das Lob für das Engagement von Hausärzten in der Flüchtlingsversorgung nicht ab. Innerärztlich wird das Thema Gesundheitskarte kontrovers diskutiert.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:

LÜNEBURG. Kassenvertreter und Politiker werden nicht müde, die Hausärzte für ihr Engagement bei der Versorgung von Flüchtlingen zu loben.

Beim Seminar-Kongress der norddeutschen Hausärzteverbände in Lüneburg wurde aber auch klar: Bei der Gesundheitskarte für die Flüchtlinge ist man weiter uneins.

Bei einer Podiumsdiskussion "Hausärzte versorgen Flüchtlinge in Niedersachsen - Organisatorische Herausforderungen" diskutierten Vertreter von KV, Kassen, Politik sowie ein Praktiker darüber, wie es mit der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge weitergehen soll.

Im November 2015 hatten sich auf einen Aufruf des niedersächsischen Hausärzteverbandes innerhalb von zwei Tagen 250 Allgemeinärzte gemeldet, um auf Abruf Flüchtlinge in Notunterkünften und Wohnheimen zu versorgen.

Große Hilfsbereitschaft

"Die Hilfsbereitschaft der Ärzte ist überwältigend und berührend", sagte etwa Claudia Schröder, Leiterin der Abteilung Gesundheit und Prävention im niedersächsischen Sozialministerium. "Allein mit staatlichen Strukturen hätten wir das niemals geschafft."

Nach Angaben des Landesinnenministeriums sind 2015 rund 100.000 Flüchtlinge ins Land gekommen. Seit Anfang dieses Jahres sind es 25.000.

Unterdessen sei die Zahl der ankommenden Flüchtlinge auf etwa 50 bis 30 pro Tag gesunken, sagte Schröder. "Wir sind aber noch nicht über den Berg.

Man kann nicht wissen, wie sich die Zahlen entwickeln werden." Auf jeden Fall sei man weiter auf die Unterstützung niedergelassener Ärzte und der Kliniken angewiesen. Ohne die Krankenhäuser etwa hätte man nie genug Röntgengeräte für die Eingangsuntersuchung gehabt.

Dr. Uwe Lankenfeld, Hausarzt in Osnabrück und "Ersthelfer" in einer Flüchtlingsunterkunft, berichtete von den großen und kleinen Problemen der Versorgung. So entzögen sich viele Flüchtling den Impfungen. Trotzdem wurden die Impfstoffe knapp. Oder es fehlen Ärztinnen oder Helferinnen, die Frauen unter den Flüchtlingen untersuchen können.

"Irgendwann haben wir außerdem entschieden, dass wir bei den Flüchtlingen keine routinemäßigen Blutuntersuchungen mehr machen. Die Menge an Blutproben war nicht mehr abzuarbeiten."

Rahmenvereinbarung seit April

Was die Abrechnung der Versorgung von Flüchtlingen in der Praxis angeht, sprach Lankenfeld sich für die Einzelleistungsvergütung nach GOÄ aus. Auf jeden Fall ist er gegen die Gesundheitskarte für Flüchtlinge - ebenso wie Dr. Jörg Berling, stellvertretender Vorsitzender der KV Niedersachsen (KVN). "Wenn die Hilfsbereitschaft einen langen Atem behalten soll, dann muss sie auf Dauer bezahlt werden."

Seit dem 1. April können die niedersächsischen Landkreise eine Rahmenvereinbarung mit den Kassen zur Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge unterschreiben. Dann brauchen kranke Asylsuchende nicht mehr bei der Gemeindeverwaltung einen Behandlungsschein zu besorgen, bevor sie sich in ärztliche Behandlung begeben.

Dadurch sparen zwar die Kommunen, aber sie müssen zugleich acht Prozent der Behandlungskosten als Verwaltungskostenanteil an die Kassen überweisen.

Allerdings sind für die verschiedenen Landkreise auch verschiedene Kassen für die Ausgabe der Karten zuständig. Die Landkreise können - müssen dies aber nicht - der Vereinbarung beitreten.

Nach Ansicht der KVN könnte das zu einem Flickenteppich der Vergütung führen, sobald ein Flüchtling den Landkreis wechselt.

"Kein Wunder, dass bisher kein einziger Landkreis beigetreten ist", kommentierte Berling. Im Übrigen bestehe die Gefahr, dass mit den Karten gehandelt werde und ein Schwarzmarkt entstehe.

Berling plädierte deshalb für die Einzelleistungsvergütung auf Berechtigungsschein. "Manche Landkreise zahlen nach GOÄ", so Berling. "Dann wäre ein Flüchtling nach den Privatpatienten der nächste interessante Fall."

Dr. Alfred Haug vom Bremer Hausärzteverband dagegen sagte: "In Bremen kommen rund 10.000 Flüchtlinge auf 500.000 Einwohner. Da ist die Gesundheitskarte für die Handhabung der Flüchtlingsversorgung eine große Erleichterung."

Ihr Newsletter zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an