Versorgung von Migranten

Gesundheitslotsen als interkulturelle Brückenbauer

Gut integrierte Migranten können dabei helfen, Landsleuten den Einstieg zu erleichtern, und Ärzte beim Umgang mit den fremdsprachigen Patienten unterstützen. Experten diskutierten ihre "Brückenbauerrolle" bei einer Fachveranstaltung.

Von Eva Becker Veröffentlicht:
Lokale Ansprechpartner als „Brücke“? Eine gute Idee, findet Gudrun Heute-Bluhm vom Städtetag.

Lokale Ansprechpartner als „Brücke“? Eine gute Idee, findet Gudrun Heute-Bluhm vom Städtetag.

© Silicya Roth

STUTTGART. Wie können Zugewanderte bei Gesundheitsprävention und Gesundheitsförderung erreicht werden? Diese Frage stand bei einer Fachveranstaltung im Stuttgarter Hospitalhof im Mittelpunkt. Dabei wurde deutlich, dass es sich lohnen kann, auf die interkulturelle Kompetenz bereits gut integrierter Menschen zu setzen. Eingeladen hatten die Kooperationsgemeinschaft unternehmensnaher Krankenkassen (kuk) und der Verband der Ersatzkassen (vdek).

"45 Prozent der Erwachsenen in Stuttgart haben einen Migrationshintergrund", erläuterte Moderator Frank Winkler vom vdek und betonte, dass "Gesundheit von Migranten auch GKV-Sache ist." Um die Zielgruppe zu erreichen, gelte es vor allem sprachlich-kulturelle Hürden abzubauen, so der stellvertretende Leiter der Landesvertretung Baden-Württemberg.

Kein Gießkannenprinzip

Beispielhaft stellte er das Projekt "Gesundheitslotsen für Migrantinnen und Migranten in Stuttgart" vor. Unter Leitung des Gesundheitsamtes und finanziert aus Mitteln der GKV und der Kommunalen Gesundheitskonferenzen (KGK) zielt es darauf ab, dass gut integrierte Migranten ihre Landsleute an Gesundheitsthemen heranführen und zwischen Institutionen und Zielgruppe vermitteln. Bei der Umsetzung des auf vier Jahre angelegten Projekts plädierte Winkler "für bedarfsorientiertes Vorgehen statt Gießkannenprinzip". Die KGKs sieht er als geeignetes Werkzeug, um die Bedürfnisse vor Ort zu ermitteln.

"Wir brauchen diese Ansprechpartner im Quartier", findet auch Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg. Eine Herausforderung sieht sie darin, die potenziellen "Brückenbauer" zu erreichen. "Wettbewerbe und Pilotprojekte sind ein Anfang," glaubt Heute-Bluhm, doch sei vor allem Nachhaltigkeit wichtig. Dass kommunale Partner beim Projekt "Gesundheitslotsen" nicht nur als Antragssteller fungieren sollen, begrüßt die ehemalige Lörracher Oberbürgermeisterin.

Ein "heißer Kopf", über den ein Migrant klage, könne auch psychische Probleme, statt Fieber bedeuten, führte Ministerialdirektor Professor Wolf-Dietrich Hammann aus und setzte damit den Akzent, die interkulturelle Kompetenz der Akteure im Gesundheitswesen weiter zu stärken.

Video-Dolmetscher bei Arztbesuch

"Ärzte müssen sich qualifizieren, um mit Sprachproblemen umgehen zu können", forderte Hammann. Video-Dolmetscher bei Arztbesuchen hält er ebenfalls für eine Lösung. Gleichzeitig sieht er die Verantwortung in der Politik: "Die Fehler, die in der Gastarbeitergeneration gemacht wurden, dürfen wir nicht wiederholen!" 1000 Stellen für Integrationsmanager habe das Land bereits gemeinsam mit den Kommunen geschaffen.

Thaddäus Kunzmann, Demografiebeauftragter des Landes Baden-Württemberg, spannte den Bogen weit. Er empfahl als beste Gesundheitsvorsorge, die Kausalität "sozialer Stand prägt Bildungserfolg, Bildungserfolg prägt Gesundheitszustand" zu durchbrechen. Das gelte für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.

Die Teilnehmer waren sich einig, dass Verbesserungen nur erreicht werden, wenn alle Beteiligten einen Beitrag leisten. Am Beispiel der Stuttgarter Migrantenorganisation "Deutsche Jugend aus Russland e.V.", welches Projektleiterin Katharina Strohmeier vorstellte, bekamen die Besucher einen Eindruck, wie die interkulturelle Kompetenz Integrierter erfolgreich genutzt werden kann.

Das Konzept: Russische Jugendliche helfen älteren Landsleuten beim Zugang zu Bildung oder Gesundheitsangeboten. Das Projekt ist Teil der vierjährigen Initiative "Bewusst-Gesund-Aktiv", welches in zehn Städten zusammen von paritätischem Gesamtverband, Krankenkassen und selbstverwalteten Migrantenorganisationen getragen wird.

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