Neue Regeln für Morbi-RSA

"Mehr Geld für Kranke, weniger für Gesunde"

Die Verteilungsregeln für den Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen sollen deutlich verändert werden. Das hat ein Expertenkreis beim Bundesversicherungsamt am Donnerstag in Bonn vorgeschlagen. Die Kassen reagieren geteilt auf die Vorschläge.

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Experten im Gespräch zum Morbi-RSA (von links): Frank Plate, BVA-Präsident, Gesundheitsökonom Prof. Jürgen Wasem, Prof. Saskia Drösler.

Experten im Gespräch zum Morbi-RSA (von links): Frank Plate, BVA-Präsident, Gesundheitsökonom Prof. Jürgen Wasem, Prof. Saskia Drösler.

© fst

BONN. Das vom Gesundheitsökonomen Prof. Jürgen Wasem geleitete Gremium hat im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums ein Gutachten vorgelegt, wie der von vielen Seiten kritisierte morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) reformiert werden kann. Die Vorschläge führten dazu, dass die Kassen weniger Geld für Gesunde und mehr Geld für kranke Versicherte erhalten würden, erklärte Wasem. "Das ist ein guter Tag für Kranke."

Die wichtigsten Vorschläge:

  • Bisher werden nur 80 ausgewählte Krankheiten im Finanzausgleich besonders berücksichtigt. Die Experten empfehlen ein Vollmodell, das also alle Krankheiten berücksichtigt. Bisher erhielten Kassen für multimorbide Versicherte im mittleren Alter eine Überdeckung, für solche Versicherte in hohem Alter dagegen zu wenig Geld.
  • Die Krankenkassen sollten durch eine stärker harmonisierte Aufsicht überwacht werden. Bisher unterstehen die AOKen der Länderaufsicht, die anderen Kassen dem Bundesversicherungsamt. Eine Vereinheitlichung der Aufsicht forderte der Wissenschaftliche Beirat indes nicht. "Wir sind keine Phantasten", sagte Wasem mit Blick auf die Grundgesetzänderung, die für eine solche Einheits-Aufsicht nötig wäre.
  • Anders als auch von manchen Kassen gefordert, empfehlen die Experten nicht, im RSA auf Diagnosen, die in der ambulanten Versorgung erhoben werden, zu verzichten. Die untersuchten Alternativen hätten sich als nicht tragfähig erwiesen.
  • Einen Risikopool, durch den die Kosten besonders "teurer" Versicherter abgedeckt werden könnten, empfehlen die Experten nicht vorbehaltlos. Man habe keine systematische Benachteiligung von Kassen beobachten können, die einen besonders hohen Anteil von Hochkostenfällen versichern, sagte Wasem. Bis Ende 2008 hat es im RSA einen solchen Risikopool gegeben, er war dann mit dem Start des Morbi-RSA entfallen.

Ende April 2018 wird der Wissenschaftliche Beirat erneut ein Gutachten vorlegen, das vom BMG angefordert wurde. Dieses wird sich damit beschäftigen, ob eine regionale Versorgungskomponente in den RSA eingefügt werden soll. Hintergrund ist, dass die Versorgung in Ballungsregionen oft höhere Kosten verursacht als in ländlichen Regionen. (fst)

Die Reaktionen der Krankenkassen

Das Gutachten ist von Kassenverbänden skeptisch aufgenommen worden. Der Ersatzkassenverband vdek kritisierte, dass das Sondergutachten des Wissenschaftlichen Beirats keine Lösungen enthalte, wie die finanzielle Benachteiligung der Ersatzkassen und ihrer Versicherten im Morbi-RSA kurzfristig beseitigt werden könnte. Stattdessen werde ein Krankheitsvollmodell vorgeschlagen, das bereits überdeckte Kassen und Kassenarten weiter bevorteile.

Auch die BKK zeigte sich enttäuscht über das Gutachten. Das Bündel der vorgelegten Empfehlungen gehe an den tatsächlichen Wettbewerbsverzerrungen zwischen Kassen und Kassenarten vorbei, so Franz Knieps, Vorstand des BKK-Dachverbands in einer Pressemitteilung. Denn die Vorschläge bewegten sich allesamt im technokratischen Umfeld des gegenwärtigen RSA, der diese Probleme erst geschaffen habe. Als „befremdlich und praxisfern“ bezeichnete er zudem die Nichtberücksichtigung der Unterschiede bei den Zusatzbeitragssätzen.

Als gute Basis für die Weiterentwicklung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) bezeichnet hingegen der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, das Sondergutachten zum Morbi-RSA: "Endlich verfügen wir über eine aktuelle und umfassende Expertenmeinung. Auf dieser Basis lässt sich die teils hitzige Debatte um eine zweckmäßige Weiterentwicklung des Morbi-RSA wieder versachlichen", äußerte er in einer Mitteilung.

Lesen Sie dazu auch: Gutachten soll‘s richten: Morbi-RSA – Streit um Geld und Diagnosen

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Das 200 Milliarden-Monster

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