Gesetzentwurf vorgelegt

An Spahns Pflegepaket scheiden sich die Geister

Jens Spahns Gesetzentwurf zur Stärkung des Pflegepersonals polarisiert. Schon wird der Ruf laut, auch die Ärzte an Krankenhäusern per Gesetz finanziell besser zu stellen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Pflege am Krankenbett: Die Finanzierung des dafür notwendigen Personals wird ab dem Jahr 2020 von den Fallpauschalen abgekoppelt.

Pflege am Krankenbett: Die Finanzierung des dafür notwendigen Personals wird ab dem Jahr 2020 von den Fallpauschalen abgekoppelt.

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BERLIN. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband kommen zu diametral entgegengesetzten Bewertungen des seit Dienstagabend vorliegenden Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals (PpSG). Mit diesem Sofortprogramm soll unter anderem die Umwandlung der rund 15 Milliarden Euro an jährlichen Pflegekosten in den Fallpauschalen in gesonderte Pflegebudgets geregelt werden.

Während die DKG darin wichtige Schritte zur nachhaltigen Verbesserung der Situation der Pflege sehen, sprechen Kassenkreise von "gesundheitspolitischem Kontrollverlust. Es drohe der Rückfall in die Selbstkostendeckung.

Auslöser beider Kommentare ist der Satz im Entwurf, nachdem die dem einzelnen Krankenhaus entstehenden Pflegepersonalkosten als wirtschaftlich im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots des SGB V gelten sollen.

"Damit ist die Dominanz des Wirtschaftlichkeitsgebots gegenüber dem tatsächlichen Pflegebedarf gebrochen", sagte DKG-Präsident Dr. Gerald Gaß am Mittwoch. Dieser Satz sei unter "gesundheitspolitischen Steuerungsaspekten zu hinterfragen", betonte Dr. Wulf-Dietrich Leber vom GKV-Spitzenverband.

Die Entscheidung, die Personalkosten aus den Fallpauschalen herauszunehmen sei "wahrscheinlich eine Fehlentscheidung", sagte Leber. Pflegemängel seien kein Grund, die leistungsorientierte Fallvergütung über die DRG zu zerschlagen. Die Trennung der Vergütungssysteme bereits ab 2020 erfolge zu früh. Nötig seien zwei bis drei Jahre Vorbereitung. Damit würde der Umbau bis in die nächste Legislaturperiode reichen.

Abwanderung von Arbeitskräften befürchtet

Die Kassenseite wittert aufgrund der Pläne Folgeprobleme in der Altenpflege. Wenn die Kliniken die Pflegekosten unbegrenzt finanziert bekämen, könnten aus der Altenpflege mehr Arbeitskräfte in die Krankenhäuser abwandern, warnte GKV-Spitzenverbandsvize Johann-Magnus von Stackelberg am Mittwoch in Berlin. Es drohe zudem ein Dominoeffekt, wenn zum Beispiel auch die Ärzte gesonderte Finanzierungssysteme ohne Deckelung forderten.

In dieser Richtung argumentiert der Marburger Bund (MB). Zu einer sachgerechten Vergütung von Krankenhausleistungen gehöre es, alle Personalkosten aus den Fallpauschalen herauszunehmen, um den "rein preisgetriebenen Wettbewerb" nicht auf dem Rücken von Ärzten und Pflegekräften auszutragen. Eine künstliche Unterscheidung zwischen ärztlichem und nicht-ärztlichem Personal sei weder sinnvoll noch sachgerecht, so Armin Ehl, Hauptgeschäftsführer des MB.

Der Gesetzentwurf im Einzelnen:

  • Jede zusätzliche und jede aufgestockte Pflegestelle in Krankenhäusern soll künftig finanziert werden. Tarifsteigerungen sollen bereits ab 2018 von den Kassen übernommen werden.
  • Die Finanzierung der Pflegepersonalkosten soll ab 2020 auf eine von den Fallpauschalen unabhängige, krankenhausindividuelle Vergütung umgestellt werden.
  • Der Krankenhausstrukturfonds in Höhe von einer Milliarde Euro im Jahr soll fortgeführt und inhaltlich ausgebaut werden. Ursprünglich als Instrument auch für den Kapazitätsum- und abbau gedacht, soll er künftig zudem zur Finanzierung von Krankenpflegeschulen dienen. Auch der Aufbau von Integrierten Notfallzentren von Vertragsärzten und Kliniken soll daraus bezahlt werden können, ebenso wie die Weiterentwicklung von IT-Strukturen in Krankenhäusern. Den Fonds speisen zur Hälfte die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und zur anderen Hälfte die Länder.
  • Jede vollstationäre Pflegeeinrichtung in der Altenpflege soll zusätzliches Personal erhalten. Im Gespräch sind 13.000 neue Stellen. Die Kosten von 640 Millionen Euro im Jahr dafür gehen zu Lasten der gesetzlichen Kranken- und nicht der Pflegekassen. Damit soll der Aufwand in den Heimen für medizinische Behandlungspflege besser berücksichtigt werden.
  • Die Zusammenarbeit der niedergelassenen Ärzte mit Pflegeheimen soll mittels verbindlicher Kooperationsverträge gestärkt werden. Dafür soll ein technischer Standard für die digitale Kommunikation zwischen Arzt und Heim entwickelt und Videosprechstunden eingeführt werden.
  • Durch das Gesetz kommen bis 2021 rund 4,5 Milliarden Euro an Mehrausgaben auf die gesetzliche Krankenversicherung zu. Die Pflegeversicherung soll mit rund 800 Millionen Euro bis 2021 zusätzlich belastet werden.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Der Preis für gute Pflege

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