Streit um Kreuzschmerz-Studie

Ärzte versus Bertelsmann

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BERLIN. Orthopäden und Unfallchirurgen wehren sich gegen Vorhaltungen, sie würden bildgebende Verfahren bei Rückenschmerz-Patienten undifferenziert und inflationär einsetzen. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) weisen entsprechende Aussagen im "Faktencheck Rücken" der Bertelsmann-Stiftung zurück.

Im November 2016 hat die Stiftung gemeldet, 38 Millionen Besuche bei Haus- oder Fachärzten seien jedes Jahr rückenschmerzbedingt. In sechs Millionen Fällen seien Röntgen-, CT- oder MRT-Aufnahmen veranlasst worden. Die meisten dieser Bilder verbesserten weder Diagnose noch Behandlung von Rückenschmerzen, hieß es.

Kritisch setzen sich die beiden Verbände mit der Annahme auseinander, dass nur in 15 Prozent der Fälle Rückenschmerzen spezifische Ursachen habe. Neuere Untersuchungen deuteten auf einen Anteil von 15 bis 45 Prozent degenerativer Veränderungen als Auslöser von Rückenschmerz hin, erklären DGOU und BVOU.

Zudem sei der Aussagegehalt der Abrechnungsdaten, die die Stiftung herangezogen hat, begrenzt. Bildgebung werde eingesetzt, weil in der Praxis die Unterscheidung von spezifischem und nicht-spezifischem Rückenschmerz nicht von vornherein möglich sei. Wenn sich der Verdacht auf spezifische Ursachen nicht erhärte, sei dies aus der ICD-Kodierung aber nicht herauszulesen.

Die Vermutung, finanzielle Gründe seien eine Ursache für den zu häufigen Einsatz der Bildgebung, zeuge von "tiefer Unkenntnis der Honorarstrukturen". Der maximale Umsatz eines Orthopäden durch eine Röntgenaufnahme der Lendenwirbelsäule habe 2015 bei 15,82 Euro gelegen.

Die Bertelsmann-Studie, für die 1000 Bürger telefonisch interviewt wurden, offenbar große Informationsdefizite bei den Patienten. Darin stimmen beide Verbände den Studienautoren zu. 50 Prozent der Befragten hatten erklärt, Schonung sei bei Rückenschmerzen angezeigt. Diese Vorstellungen über den Umgang mit Rückenschmerz "fördern offensichtlich sogar eine Chronifizierung", heißt es in der Stellungnahme beider Verbände. Allerdings rieten Orthopäden nur in 20 Prozent der Fälle zur Schonung, in den übrigen Fällen hingegen zu aktivierenden Maßnahmen, die bei unspezifischem Rückenschmerz indiziert seien.(fst)

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