Patientenakten

Selbstverwaltung braucht den Gesetzgeber für die EPA

Showdown bei der KBV: Kassenärzte, Krankenkassen und Bundesministerium für Gesundheit diskutierten über elektronische Patientenakten. In vielem waren sich Kassen und Ärzte einig, doch an den entscheidenden Stellen ist die Politik gefragt.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Die KBV ist grundsätzlich damit einverstanden, dass Krankenkassen ihren Versicherten elektronische Akten anbieten. Voraussetzung: Sie befinden sich vollständig inder Hoheit der Patienten.

Die KBV ist grundsätzlich damit einverstanden, dass Krankenkassen ihren Versicherten elektronische Akten anbieten. Voraussetzung: Sie befinden sich vollständig inder Hoheit der Patienten.

© Andy Dean / stock.adobe.com

BERLIN. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist grundsätzlich damit einverstanden, dass Krankenkassen ihren Versicherten elektronische Akten anbieten, sofern sich diese vollständig in der Hoheit der Patienten befinden. Das sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Stephan Hofmeister bei einer mit rund 200 Besuchern stark besetzten Diskussionsveranstaltung zu elektronischen Akten in Berlin. Die technische Standardisierung der E-Akten betrachtet die KBV als Aufgabe der Betriebsgesellschaft der Telematikinfrastruktur, der gematik.

Bei den Inhalten will man aber selbst den Hut aufbehalten. Aus KBV-Sicht ist die elektronische Patientenakte eine Fachanwendung der Telematikinfrastruktur, die von Ärzten konzipiert werden sollte.

Auf Seiten der Krankenkassen wurde das etwas anders gesehen. AOK-Vorstandsvorsitzender Dr. Martin Litsch betonte, dass es die Anwendungsszenarien und Geschäftsmodelle einer E-Akte unnötig einschränke, wenn nur die Ärzteschaft über die Inhalte bestimme. Ihm schwebt stattdessen eine unabhängige Experteninstitution außerhalb der gematik vor, die den Rahmen vorgibt: "Innerhalb der gematik schaffen wir das nicht, denn da sitzen Vertragspartner mit unterschiedlichen Interessen."

Babylonische Sprachverwirrung zur E-Akte

Sehr deutlich wurde in Berlin, dass unterschiedliche Akteure beim Stichwort elektronische Akten immer noch von unterschiedlichen Dingen reden. Die KBV legte sich (erneut) sehr klar fest, dass sie eine zweigliedrige Architektur anstrebt: Neben den Primärsystemen der Ärzte, also der Praxissoftware, und der Krankenhäuser soll es nach Vorstellung der KBV nur eine übergreifende elektronische Akte geben, die freilich von unterschiedlichen Anbietern in den Markt gebracht werden kann.

"Die Konzepte der elektronischen Gesundheitsakte, der elektronischen Patientenakte und des elektronischen Patientenfachs würden wir ersatzlos streichen beziehungsweise zu einer einzigen elektronischen Akte konsolidieren", so Hofmeister.

Klaus Rupp von der Techniker Krankenkasse sah das anders. Die TK hat mit der derzeit in Betatests befindlichen TK-Safe-Akte eine Smartphone-basierte elektronische Gesundheitsakte entwickelt. Rupp stellt sich vor, dass es eine ärztlich gesteuerte elektronische Patientenakte und zusätzlich eine patientengesteuerte Gesundheitsakte gibt. Das wäre ein dreigliedriges System mit Primärsystemen von Ärzten und Krankenhäusern einerseits und zwei übergreifenden E-Akten andererseits.

Sozialrecht gibt die Richtung vor

Relativ deutlich wurde in Berlin, dass sich die Selbstverwaltung in diesem Punkt wohl nicht wird einigen können. Das hat auch sozialrechtliche Gründe: Im SGB V ist das dreigliedrige System derzeit angelegt: Der Paragraf 68 SGB V gibt Krankenkassen seit über zehn Jahren das Recht, Gesundheitsakten anzubieten. Gleichzeitig fordert Paragraf 291a SGB V die Gematik auf, eine elektronische Patientenakte zu entwickeln. Das deutsche "Akten-Kuddelmuddel" hat also ein sozialrechtliches Fundament.

Die KBV hätte gerne, dass die neue Bundesregierung hier Hand anlegt. Auch auf Kassenseite gibt es Stimmen, die das für überlegenswert halten: "Die Politik sollte sich die Komplexität in diesem System noch einmal genau anschauen", sagte Andreas Strausfeld, Vorstand des kassennahen IT-Dienstleister Bitmarck, der eine Gesundheitsakte für DAK Gesundheit, BKK/IKK und die Allianz ausgeschrieben und kürzlich an das Startup Vivy vergeben hat. Aus Patientensicht seien mehrere Akten eher verwirrend, so Strausfeld, der betonte, dass dies seine persönliche Meinung sei.

BMG legt sich noch nicht fest

Für das Bundesgesundheitsministerium wollte sich der für Digitalisierung zuständige Abteilungsleiter Gottfried Ludewig noch nicht festlegen, inwieweit im Rahmen eines "E-Health-Gesetz 2.0" an eine Harmonisierung der sozialrechtlichen Grundlagen für elektronische Akten gedacht sei. Allenfalls zwischen den Zeilen meinte man durchzuhören, dass es Sympathien für einen dreigliedrigen Ansatz geben könnte.

Weniger spekulativ ist die Frage nach der Zugangskontrolle für die elektronischen Akten. Hier legte Ludewig sich fest: Neben einem Zugang mit elektronischer Gesundheitskarte und Kartenlesegerät vom Heim-PC soll es auch einen mobilen Zugangsweg via Smartphone geben. Die dafür nötigen Gesetzesänderungen sollen in den nächsten sechs Monaten auf den Weg kommen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: E-Akte: Noch ein Jahr ist zu lang

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