Die Gesundheitsampel im Kurort

Urlaub machen und etwas für die Gesundheit tun - wie wäre es mit einer Kur? Bayerische Kurorte werben jetzt mit Lebensstil-Beratung und der Gesundheitsampel. Auch Ärzte sind mit an Bord.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Bewegung nach Plan für einen gesunden Lebensstil, darauf setzt der Kurort Bad Füssing für seine Gäste.

Bewegung nach Plan für einen gesunden Lebensstil, darauf setzt der Kurort Bad Füssing für seine Gäste.

© obx-news

MÜNCHEN. Wie hoch ist das individuelle Risiko, an Diabetes oder KHK zu erkranken oder an Rückenschmerzen zu leiden? Antwort auf diese Fragen gibt jetzt das Kompetenzzentrum für Komplementärmedizin und Naturheilkunde (KoKoNat) des Klinikums rechts der Isar der TU München.

Für Interessierte hat das KoKoNat nach eigenen Angaben ein Konzept entwickelt, mit dem sich für jeden Einzelnen die Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten errechnen lässt.

Ein darauf aufbauendes Gesundheits-Management-Konzept (Campus IGM) helfe, die Risiken zu reduzieren.

Bei dem nach Einschätzung der Beteiligten "richtungsweisenden" Modellprojekt sind sowohl die Hochschule Deggendorf als auch verschiedene Kurorte mit im Boot.

Projekt wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert

Campus IGM wird von den involvierten Hochschulen realisiert, wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

Mit den Kurorten Bad Füssing, Bad Kötzting, Bad Tölz und Bad Wörishofen sind Kooperationsvereinbarungen zur praktischen Umsetzung des Pilotvorhabens getroffen worden. An dem Projekt sind außerdem verschiedene bayerische Ärzte- und Kliniknetzwerke beteiligt.

Explizite Zielstellung des Programms sei es, Risikofaktoren für Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und psychosomatische Leiden rechtzeitig zu erkennen und aktiv entgegenzuwirken, so Projektleiter Professor Dieter Melchart, seit 2010 Leiter des Extraordinariats für Komplementärmedizin und Naturheilkunde am Klinikum rechts der Isar.

"Wichtig ist, Menschen in ihren Arbeits- und Lebenswelten für Gesundheitsvorsorge zu erreichen und nicht erst, wenn sie krank sind und Behandlung benötigen", betont Melchart.

Wie das Projekt vor Ort umgesetzt wird, zeigt ein Blick nach Bad Füssing. Kommen Gäste in dem Kurort an, so wird ihnen die Möglichkeit geboten, an einem Online-Test zu ihrer gesundheitlichen Konstitution teilzunehmen.

Wie Sonja Prem vom Kur- und Gästeservice auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung" erläutert, beantworten die Gäste an einem PC vor Ort verschiedene Fragen zur persönlichen Lebenssituation und zu bestehenden Krankheiten. Der Test sei unter der Mitwirkung von Ärzten konzipiert worden.

Eingangstest mit integrierter Gesundheitsampel

Derzeit arbeite die Hochschule Deggendorf an einer Testvariante mit einem elektronischen Lesestift, der sich die angekreuzten Kästchen merke und an die Auswertungsstelle übertrage, so Prem.

Das sei als Service für Kurgäste gedacht, die mit PC gar nicht oder nicht so gut vertraut sind. Die Teilnahme an dem Gesundheitstest kostet die Kurgäste einmalig 25 Euro.

Die Auswertung der Testergebnisse erfolgt laut Prem ebenfalls computergestützt. Die Kurgäste erhalten ihre persönlichen Ergebnisse in Form einer Lebensstil-Analyse - versehen mit einer Gesundheitsampel.

Zeigt die Ampel auf grün, werden keine besonderen Maßnahmen empfohlen. Zeigt sie aber auf Gelb oder Rot, so wird den Kurgästen geraten, sich noch vor Ort mit einem der 33 niedergelassenen Kur- und Badeärzte in Verbindung zu setzen.

Diese stehen dann - auf Selbstzahlerbasis den Patienten - zur Verfügung, um zum Beispiel weitere gesundheitliche Untersuchungen durchzuführen oder aber auch, um eine konkrete Trainingsempfehlung für den Aufenthalt in Bad Füssing auszusprechen.

Kurgäste bleiben Herr über ihre Gesundheitsdaten

Wie Prem betont, bleiben Kurgäste, die an dem Gesundheitstest teilnehmen, jederzeit Herr über ihre Gesundheitsdaten. Die Daten bleiben ein Jahr lang auf einer externen Plattform gespeichert.

Somit müsse auch jeder Patient in der Arztpraxis erst durch einen Login-Vorgang sein Profil für die Begutachtung durch den Kurarzt freischalten.

Vorteil der langen Speicherung sei, so Prem, dass die Kurgäste die Werte auch nach ihrem Erholungsaufenthalt in Bad Füssing ihrem angestammten Hausarzt zur Weiterbehandlung zur Verfügung stellen könnten.

Integriert in die reine Ist-Analyse ist bei der Testauswertung in Bad Füssing auch eine individuell auf das Profil des Teilnehmers zugeschnittene Lebensstil-Empfehlung, ein "InfoZept".

Diese Lebensstil-Empfehlung sei die Grundlage für ein Selbstlernprogramm, das unter anderem individuell zusammengestellte Trainingspakete, zum Beispiel für mehr Bewegung oder auch für bessere Ernährung.

Kurdirektor verfolgt auch gesundheitspolitische Ziele

Die Patienten erhalten ausgearbeitete Übungspläne, die noch den Zeitraum bis zu drei Monate nach ihrer Abreise aus dem Kurort umfassen.

Auf einer Website finden sie zudem Audio- und Videobeiträge vor, die sie auch zu Hause in seinem gesunden Lebensstil bestärken und unterstützen sollen.

Bedarf es dagegen keiner ärztlichen Absprache, so können die Gäste in Bad Füssing gleich nach Erhalt ihres InfoZepts mit dem Training beginnen.

In dem nach eigenen Angaben übernachtungsstärksten Kurort Europas werden auch maßgeschneiderte Trainingsprogramme zur Reduzierung der wichtigsten gesundheitlichen Risikofaktoren entwickelt.

"Mit dem neuen Gesundheits-Check geben wir unseren Gästen nicht nur einen Fahrplan in ein gesundes Leben an die Hand", konstatiert Bad Füssings Kurdirektor Rudolf Weinberger.

Vielmehr sei das neue Präventionsangebot auch als Schlüssel zur Reduzierung der Gesundheitsausgaben - also gesundheitspolitisch motiviert - zu verstehen.

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