IGeL kosten Vertrauen

Vom Spitzenreiter auf den fünften Platz: Ärzte haben bei den Versicherten an Vertrauen verloren. Eine neue Studie meint mögliche Gründe dafür gefunden zu haben: die Zwei-Klassen-Medizin und IGeL.

Von Johanna Dielmann-von Berg Veröffentlicht:

NEU-ISENBURG. Die Diskussionen um individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) und Zweiklassenmedizin haben Ärzte mit Vertrauenseinbußen bezahlt. Diesen Zusammenhang legt der Gesundheitsmonitor 2012 der Bertelsmann Stiftung und der Barmer GEK nahe.

Demnach rangieren Ärzte nur noch auf Platz fünf der Vertrauensskala - unter anderem hinter Hebammen und Krankenschwestern. Insgesamt wurden 14 Berufe abgefragt.

Dennoch sprachen 91 Prozent der bis zu 1720 befragten GKV- und PKV- Versicherten Ärzten ein sehr hohes oder eher hohes Vertrauen aus.

In bisherigen Umfragen waren Ärzte meist Spitzenreiter, so etwa bei der Befragung zum Berufsprestige durch das Allensbacher Institut für Demoskopie: Im Jahr 2011 hatten 82 Prozent der 1800 Befragten Ärzte auf Platz eins gewählt, mit großem Abstand folgten damals Krankenschwestern mit 67 Prozent auf Rang zwei.

Die Autoren des Gesundheitsmonitors Magnus Heier und Gerd Marstedt sehen einen Zusammenhang zwischen dem Imageverlust der Ärzte und den Versorgungserfahrungen der Patienten.

Denn 42 Prozent der Befragten, die überzeugt sind, dass es in Deutschland eine stark ausgeprägte Zwei-Klassen-Medizin gibt, haben weniger Vertrauen zu Ärzten als zu Krankenschwestern.

Kausalität nicht eindeutig

Hingegen sind es nur neun Prozent derjenigen, die angaben, es gebe keine Zwei-Klassen-Medizin.

Ähnlich verhält es sich bei IGeL: 48 Prozent derjenigen, die glaubten, Ärzten gehe es beim IGeLn nur um den Verdienst, sprachen auch Krankenschwestern höheres Vertrauen aus. Von denjenigen, die diese IGeL-Aussage ablehnten, waren es nur 19 Prozent.

Ein Kausalzusammenhang lasse sich aber nicht ableiten, so die Autoren, es handele sich um eine wechselseitige Beeinflussung.

Negative Erfahrungen mit dem Arzt könnten zu einem schlechten Bild der Ärzte führen, umgekehrt könne aber auch ein negatives Image der Ärzte Vorbehalte bei der Beurteilung der Versorgung zur Folge haben.

Insgesamt gaben knapp Dreiviertel der 1772 befragten GKV- und PKV- Versicherten an, es gebe in Deutschland eine Zwei-Klassen-Medizin "in sehr starkem Maße" (19 Prozent) oder "teilweise" (52 Prozent).

Ungleiche Behandlung wird dabei häufiger von GKV- als von PKV-Versicherten moniert. Der größte Unterschied zeigt sich in puncto "Sorgfalt bei der Untersuchung".

Hier stimmen 51 Prozent der GKV-Versicherten "auf jeden Fall" oder "eher" zu, dass Kassenpatienten weniger gründlich behandelt werden, aber nur 25 Prozent der Privatversicherten.

GKV-Patienten skeptischer

Auch bei Wartezeiten in der Arztpraxis sehen GKV-Patienten Kassenpatienten schlechter versorgt als Privatversicherte: 77 Prozent der GKV-Versicherten, aber nur 62 Prozent der PKV-Versicherten vermuten, dass Ärzte Kassenpatienten bei der Wartezeit in der Praxis benachteiligen.

Auch vermuten mehr GKV-Versicherte (34 Prozent) als PKV-Versicherte (22 Prozent), dass Kassenpatienten von den Ärzten nicht so freundlich behandelt werden wie Privatpatienten.

Darüber hinaus fragte der Gesundheitsmonitor auch nach der Überversorgung von Privatpatienten.

Acht Prozent aller Befragten gaben an, sie hätten überflüssige Operationen bei sich oder bei Bekannten nur wegen des privaten Versicherungsstatus bekommen.

Als überflüssig sahen viele vor allem Labor- oder Ultraschalluntersuchungen und Arzttermine zur Kontrolle an. GKV-Versicherte (59 Prozent) glauben dabei häufiger als PKV-Versicherte (36 Prozent), dass die Ungleichbehandlung auf finanzielle Interessen der Ärzte zurückzuführen ist.

Gleichzeitig sagen aber fast neun von zehn Befragten, dass die gesetzlichen Kassen bei der Vergütung zu sehr sparen und Ärzte nur angemessen verdienen können, wenn sie Privatpatienten bevorzugen.

Ähnlich äußern sie sich zu IGeL: Knapp 90 Prozent der Befragtenmeinen, dass Krankenkassen IGeL nicht bezahlen, um zu sparen. Die Aussagen seien insgesamtaber nicht konsistent, schreiben die Autoren.

So meint etwa die Hälfte, IGeL seien medizinisch größtenteils unnötig. Wiederum halten 80 Prozent IGeL für gut, aber zu teuer.

Etwa genauso viele denken, Ärzten gehe es nur ums Geld und IGeL belasteten das Vertrauensverhältnis. Zwei Drittel der Befragten wurden IGeL vom Arzt angeboten, davon der Hälfte sogar mehrfach.

Lesen Sie dazu auch den Standpunkt: Vorgaben in der Praxis leben

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