Frankfurt/Main

"Historischer Kraftakt" Klinikevakuierung

Die Evakuierung zweier Frankfurter Kliniken im Zuge einer Bombenentschärfung und die Rückführung der Patienten verlief nahezu reibungslos. Das ist das Verdienst vieler Gesundheitsdienstleister, die sonst im Wettbewerb stehen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Warteschlage vor der Krankenliegendeinfahrt des Frankfurter Bürgerhospitals am vergangenen Sonntag: Rund 100 Patienten mussten mit Rettungswagen in andere Kliniken der Region gebracht werden.

Warteschlage vor der Krankenliegendeinfahrt des Frankfurter Bürgerhospitals am vergangenen Sonntag: Rund 100 Patienten mussten mit Rettungswagen in andere Kliniken der Region gebracht werden.

© Bürgerhospital Frankfurt

FRANKFURT/MAIN. "Das war ein historischer Kraftakt, den wir bisher jedoch ohne größere Komplikationen gemeistert haben", zog Wolfgang Heyl, einer der beiden Geschäftsführer des Bürgerhospitals in Frankfurt, am Montagmorgen ein Zwischenfazit für sein Haus nach der größten Evakuierungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik.

Rund 100 Patienten des Krankenhauses mussten am Wochenende evakuiert und in aufnehmende Kliniken der Rhein-Main-Region verlegt werden, da das Bürgerhospital in der Sperrzone lag, die für die am Sonntag erfolgte – geglückte – Entschärfung einer 1,8 Tonnen schweren Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet wurde, nachdem der Blindgänger bei Bauarbeiten am Dienstag gefunden worden war.

Nach der geglückten Bombenentschärfung sei laut Bürgerhospital gegen 20:10 Uhr am Sonntagabend der erste Patient wieder in das Haus zurückgekehrt. Zuvor seien die Klinikmitarbeiter auf ihre Stationen und weitere Einsatzorte gegangen, um die Patienten in Empfang nehmen zu können. Binnen 30 Minuten nach Öffnung, sei das Krankenhaus wieder einsatzbereit gewesen.

Keine Selbstverständlichkeit angesichts der Tatsache, dass der zuständige Kampfmittelräumdienst den Entschärfungsprozess nicht zuletzt durch das Zutun Uneinsichtiger, die die Sperrzone trotz mehrfacher offizieller Aufforderung nicht aus eigenem Antrieb verlassen wollten, erst knapp zweieinhalb Stunden später als veranschlagt beginnen konnte.

"Aufgrund der Verzögerung bei der Evakuierung der Anwohner konnten wir erst später als geplant mit der Rückverlegung beginnen. Da wir es unseren Patienten nicht zumuten wollen, bei nachtschlafender Zeit zu uns zurückzukehren, warten wir zunächst einmal ab, wie die ersten Rückverlegungen ablaufen. Danach entscheiden wir gemeinsam mit dem Krisenstab der Stadt, wie viele Patienten wir noch heute zurückholen", sagte Marcus Amberger, zweiter Geschäftsführer der Bürgerhospital und Clementine Kinderhospital gGmbH, am frühen Sonntagabend.

Frühchen mit Sonderstatus

Die Rückverlegung der Patienten des Bürgerhospitals sei dann aber nach Plan gelaufen. Gegen 0:35 Uhr am Montagmorgen sei der letzte Patient auf seine Station gebracht worden. Noch nicht wieder zurücktransportiert worden seien indes die Frühgeborenen sowie Mütter, die bereits entbunden hatten, mit ihren Kindern.

Diese sollten in Absprache mit der Rettungsleitstelle voraussichtlich im Laufe des Montags, spätestens jedoch am Dienstag ihre Zimmer im Bürgerhospital beziehen. Die ersten geplanten Operationen liefen bereits, die Stationen seien wieder geöffnet ebenso wie die Notaufnahme.

Wie nahtlos der Klinikbetrieb wieder aufgenommen werden konnte, zeigt sicherlich auch die Tatsache, dass am Montag bereits das erste "Nachevakuations-Baby" in Hessens größter Geburtsstation das Licht der Welt erblicken konnte, wie das Bürgerhospital mitteilte.

Geschäftsführer Amberger führt das Gelingen der Evakuierungsaktion nicht nur auf das interne Krisenmanagement, sondern auch auf das Logistik-Know-how der Frankfurter Rettungsleitstelle zurück. "Durch die tolle Unterstützung der Rettungsleitstelle und der Besatzungen der Rettungswagen, die zum Teil ehrenamtlich arbeiteten, können wir heute wieder nahezu in den Normalbetrieb gehen", versicherte Amberger am Montag morgen.

Evaluation geplant

Die Versorgung der Bürgerhospital-Patienten in den aufnehmenden Krankenhäusern hat nach Heyls Einschätzung gut funktioniert.

"Gemeinsam mit unserer Pflegedirektorin, Oberin Christine Schwarzbeck, habe ich heute Vormittag unsere Patienten und unsere Mitarbeiter, die diese betreuten, besucht. Alle sind gut versorgt und machen einen gelassenen Eindruck. Man spürt direkt, dass wir in den anderen Krankenhäusern willkommen waren", berichtete der zweite Geschäftsführer am Sonntag – verbunden mit einem ausdrücklichen Dankeschön an die Mitarbeiterteams der Klinik-Wettbewerber.

Nachdem das Krankenhausteam wieder etwas zur Ruhe gekommen sei, werde es eine Evaluationsrunde geben. "Schließlich war dies für uns alle die erste und hoffentlich auch letzte Komplett-Evakuation. Die regelmäßigen Katastrophenübungen, die Krankenhäuser immer wieder durchführen, waren eine gute Vorbereitung. Doch gestaltet sich jede Lage in der Praxis dann ganz individuell", ergänzte Heyl.

Natürlich überlege man sich bereits auch, wie man sich bei den Beteiligten für ihr Engagement bedanken werde.

Frankfurter vorbildlich vorbereitet

Die zweite, von der Evakuierung betroffene Klinik, das St. Marienkrankenhaus, wollte alle stationär versorgten Patienten an den zweiten Standort, das St. Elisabethen-Krankenhaus im Stadtteil Bockenheim verlegen. "Die Verlegung übernehmen die Rettungsdienste, so dass zu jeder Zeit für die Sicherheit und medizinische Betreuung unserer Patienten gesorgt sein wird", hieß es vor der Evakuierung auf der Klinikwebsite.

Über eventuelle Zwischenfälle im Verlauf der Evakuierungsaktion war bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nichts bekanntgeworden, da die Klinik-Pressestelle nicht erreichbar war.

Generell stellen Ausnahmesituationen wie eine Bombenentschärfung, aber auch Hochwasser oder andere Ereignisse mit einem potenziellen Masseanfall an Verletzten (ManV) hohe Anforderungen an das Krisenmanagement der Kliniken, wie Detlef Cwojdzinski im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" betont.

Wahrscheinlich nicht überall in Deutschland wären Kliniken so gut auf die Situation am Wochenende vorbereitet gewesen wie in Frankfurt, betont der Krisenexperte, der bei der Berliner Senatsverwaltung für den gesundheiltichen Bevölkerungsschutz zuständig und zudem Herausgeber eines Leitfadens zur Krankenhausalarmplanung ist, den er in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) erstellt hat.

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