Debatte beim Gesundheitskongress Salut!

Private Equity – Das Danaergeschenk fürs Gesundheitssystem?

Sind professionelle Investoren im Gesundheitswesen pure Renditegeier ohne Rücksicht auf Ärzte- und Patientenbelange? Nicht unbedingt, so der Konsens beim Gesundheitskongress Salut! in Saarbrücken.

Von Michael Kuderna Veröffentlicht:
Scharf auf Rendite? Den Unterschied zwischen gutem und schlechtem Geld gibt es nicht, so eine Sicht beim Gesundheitskongress Salut!.

Scharf auf Rendite? Den Unterschied zwischen gutem und schlechtem Geld gibt es nicht, so eine Sicht beim Gesundheitskongress Salut!.

© ALDECAstudio / stock.adobe.com

SAARBRÜCKEN. Privates Kapital spielt im Gesundheitswesen eine immer größere Rolle. Ein moralischer Zeigefinger in Richtung Investoren sei aber unangebracht, vielmehr müsse sich die Politik stärker einbringen, um Fehlsteuerungen zu vermeiden – darin waren sich Experten jüngst beim Gesundheitskongress „Salut!“ in Saarbrücken noch weitgehend einig. Bei möglichen Rezepten gingen die Meinungen jedoch auseinander.

„Wir haben bei den Krankenhäusern eine völlig verkorkste Finanzierung im dualen System, vor allem wenn die Länder ihren Anteil der Investitionskosten nicht tragen“, monierte der Healthcare-Manager Dr. Ulrich Wandschneider in einem Plenum mit dem provokanten Titel „Unter Geiern – Wem gehören Gesundheit und Pflege?“ Gleichzeitig plädierte er für einen beaufsichtigten Qualitäts-Wettbewerb. Deshalb seien für ihn die Eigentümer-Fragen „vollkommen egal“.

Attraktiv für Ärzte als Angestellte

Auch im ambulanten Bereich erwarte er die Bildung stärkerer Verbünde und betonte, dies könne für die Fortbildung, aber auch die Versorgung im ländlichen Raum Vorteile bringen. So könne man dann leichter jüngere Ärzte gewinnen, für ein paar Jahre auf dem Land als Angestellte ohne Risiko und langfristige Bindung zu arbeiten.

Dass Private Equity auch im Gesundheitswesen vordringt, erklärt der frühere Asklepios-Chef aber auch mit der Tatsache, dass bei Praxisübergaben Geld fließt: „Ich verstehe bis heute nicht, warum ein niedergelassener Arzt seine Praxis verkaufen kann“, meinte Wandschneider. Dies habe nichts mit dem Versorgungsauftrag zu tun.

„Es ist eine Illusion, dass man zwischen gutem und schlechtem Geld unterscheiden kann“, mahnte der Versorgungsforscher und frühere DAK-Vorstand Professor Herbert Rebscher. Niedergelassene Ärzte seien wie fast alle Freiberufler auch Kreditnehmer, und bei Anlegern sei eine Renditeerwartung legitim.

Entscheidend sei letztlich nur die Frage, ob ein Geschäftsmodell zur Lösung eines Versorgungsproblems beitrage oder nicht. Allerdings sieht Rebscher mit Sorge in die Zukunft: Der Finanzmarkt mit seinem weltweit vagabundierenden Geld sei trotz der Krise vor zehn Jahren nicht reguliert worden.

Mit Blick auf die hohen Summen, die bei Kaufaktionen zwischen Privatinvestoren im Gesundheitswesen bezahlt würden und bis zum 15-Fachen des Vorsteuer-Gewinns reichten, sprach Rebscher von einem „Schneeballsystem, das irgendwann platzt“.

DRG-System Grund der Misere?

Wie Wandschneider beklagte auch der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gerald Gaß, negative Folgen des Finanzierungssystems im stationären Bereich. Die DRGs veranlassten stark renditeorientierte Unternehmen, defizitäre Kliniken oder Bereiche aufzugeben, die dann wiederum andere zusätzlich belasteten.

So sei es beispielsweise bedauerlich, wenn Kassen Verträge mit kleineren, von Privaten übernommenen Krankenhäusern schlössen, obwohl sich diese von der teuren Notversorgung verabschiedet hätten.

„Wir brauchen eine Ordnungspolitik, die den Gesamtzusammenhang erkennt“, erklärte Gaß. Er forderte von den Ländern eine Krankenhausplanung mit klarer Zuweisung von Versorgungsaufträgen, gleichzeitig aber auch Spielräume bei der Umsetzung und den „Verzicht auf immer neue detaillierte Regulierungen“.

Der Steuerzahler soll es richten

„Geld wird bei dem Handel mit Immobilien verdient“, unterstrich Hartmut Ostermann. Hier könne man eventuell eingreifen, meinte der Gründer der Victor’s Unternehmergruppe, die Hotels und Senioreneinrichtungen betreibt. Zudem warnte er vor den steigenden Zuzahlungen in der stationären Pflege. Als möglichen Ausweg plädierte Ostermann dafür, Erbschaften zur Finanzierung stärker heranzuziehen.

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