"Exzellenz in Menschlichkeit" für glückliche Patienten

Praxisteams sollten konsequent auf Service setzen. Dazu ermahnt sie der Marketing-Experte Professor Gerhard F. Riegl.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

DÜSSELDORF. Arztpraxen brauchen zunehmend Alleinstellungsmerkmale, um langfristig in einem Gesundheitsmarkt zu überleben, von dem die Politik mehr und mehr Einsparungen fordert. Diese These stellte Professor Gerhard F. Riegl, Marketing-Dozent an der Hochschule Augsburg, während einer Veranstaltung auf dem diesjährigen Medica-Kongress auf.

Die medizinisch-technische Exzellenz sei ein Zugpferd beim Patientenmarketing. Ein ebenso wichtiger Faktor sei ein unerwarteter Service und Zuvorkommenheit im Umgang mit Patienten. Diese Aussage stützte Riegl mit Blick auf die Glücksforschung. Würden Versuchspersonen über Erwarten befriedigt, so stelle sich ein Glücksgefühl und eine positive, wohlgesinnte Grundhaltung ein.

Was sich sehr theoretisch anhört, besteche durch Einfachheit in der Praxis, wie der Marketing-Experte an einem Beispiel der Terminvergabe nachzog. Rufe ein neuer Patient in der Praxis mit dem dringenden Wunsch nach einem Termin noch in derselben Woche an, so könne ihm auch dann ein gutes Gefühl vermittelt werden, wenn dieser Wunsch aus Organisationsgründen nicht erfüllbar sei. Gebe die Arzthelferin ihm zum Beispiel einen Termin in zwei Wochen, deute dem Patienten aber an, er müsse normalerweise drei oder vier Wochen warten, aber man könne ausnahmsweise einen Termin in zwei Wochen einschieben, dann verdränge der Patient möglicherweise seinen ursprünglichen Wunsch und sehe in dem vorgezogenen Termin einen freundlichen Akt.

Die Medizinischen Fachangestellten könnten noch mit einer weiteren Strategie für eine positive Grundhaltung der Patienten gegenüber der Praxis sorgen. "Lassen Sie sich als Arzt von Mitarbeitern positiv ins Gespräch bringen", ermunterte Riegl seine Zuhörer. Auch dies gehe auf sehr einfache Weise - am Praxistresen. Hier sollten die Mitarbeiter immer betonen, dass sich der Arzt später im Behandlungszimmer viel Zeit nehmen werde, um mit dem Patienten zusammen dessen Anliegen zu begutachten. Wichtig sei dabei, Patienten das Gefühl zu vermitteln, der Arzt nehme sich stets genügend Zeit, Hektik bleibe außen vor. Würden Patienten diesen Standpunkt einnehmen, hätten sie wiederum ein Glücksgefühl, wenn sie die Praxis betreten.

"Geben Sie Ihren Patienten mehr, als sie erwarten, bauen Sie eine Praxis mit ‚Exzellenz in Menschlichkeit‘ auf", ermunterte Riegl die Seminarteilnehmer, ihre bisherige Marketingstrategie zu überdenken. Die Freundlichkeits- und Serviceoffensive gelte dabei für alle Patienten und für alle Leistungsbereiche - somit auch für Selbstzahlerleistungen.

Wichtig sei, so Riegl, den Service überzeugend darbieten zu können. Mit der richtigen Organisation gehe dies sogar ohne zeitlichen Mehraufwand. "Work smarter, not harder", brachte er seine Erfolgsformel auf den Punkt. Wie Riegl nachdrücklich betonte, sind zufriedene Patienten mit die wichtigsten Werbeträger für die Praxis. Wer beim Arztbesuch zufrieden sei, erzähle dies auch im Freundes- und Bekanntenkreis. Eine gute Möglichkeit, die Zufriedenheit der Patienten mit der Praxis zu überprüfen sieht Riegl in regelmäßigen Patientenbefragungen. Hier sollte auch Platz für weitere Anregungen sein.

Äußerten sich Patienten in der Befragung kritisch zu Serviceelementen im Praxisalltag, so sollten Praxischefs sich ernsthaft mit den Äußerungen auseinandersetzen. Nichts sei schlimmer als Betriebsblindheit, die eine objektive Analyse von Missständen im Praxismanagement fast gänzlich verhindere. Außer der schriftlichen Patientenbefragung sei auch jedes Arzt-Patienten-Gespräch eine wichtige Quelle, um aus den Äußerungen auf Optimierungspotenziale bei einzelnen Arbeitsschritten in der Praxis aufmerksam zu werden. Hier sei jedoch wichtig, klipp und klar die Spreu vom Weizen zu trennen, hob Riegl hervor. "Von notorischen Nörglern unter ihren Patienten können sie keinen geeigneten Input erwarten. Trennen Sie sich rechtzeitig von provozierenden Patienten", forderte Riegl. Praxischefs würden langfristig davon profitieren, wenn miesepetrige Patienten ihre Praxis mieden. "Diesen Patienten werden Sie nie zu einem Glücksgefühl verhelfen können", untermauerte Riegl seinen auf Arbeitseffizienz fokussierenden Ratschlag.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Praxismarketing als reine Glückssache?

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