Kooperation - ja gerne, aber bitte allein!

Es muss nicht gleich ein MVZ sein: Wer mit anderen Ärzten kooperieren will, kann klein anfangen und dabei sein eigener Herr bleiben. Schon ein lockerer Praxisverbund kann dazu beitragen, die Patientenversorgung zu verbessern.

Von Jürgen Karsten und Marc Müller Veröffentlicht:
Viele Ärzte sehen den Sinn von Kooperationen, wollen aber nicht gleich aus der gewohnten Umgebung herausgehen.

Viele Ärzte sehen den Sinn von Kooperationen, wollen aber nicht gleich aus der gewohnten Umgebung herausgehen.

© endostock / fotolia.com

Viele Ärzte sehen die Notwendigkeit, durch kooperative Leistungserbringung und Nutzung "Neuer Versorgungsformen" auf die Veränderungen im Gesundheitswesen zu reagieren.

Die Begriffe "Neue Versorgungsformen" und "Kooperation" sind in der Praxis allerdings mit vielen Ängsten und mit Unbehagen belegt.

Auch Bedenken und Ängste gegen Kooperationen

So wird Kooperation häufig mit großen, umfangreichen Konstrukten (MVZ-Gestaltung), neuen Immobilien, erheblichen Investitionen und zusätzlichen unkalkulierbaren Risiken verbunden.

Auch die Gefahren einer verbotenen Zuweisung gegen Entgelt sowie einer deutlichen Ökonomisierung der Patientenversorgung werden als negative Begleiterscheinungen der Kooperationen gesehen.

Diese Bedenken und Ängste gegen Kooperationen führen häufig dazu, dass ein Arzt zwar einerseits die Notwendigkeit zum Handeln und zur Nutzung solcher Formen sieht, auf der anderen Seite aber weitestgehend unabhängig und selbstständig bleiben möchte: Kooperation ja - aber alleine!

Eine große Investition ist nicht immer notwendig

Bei der Gestaltung und Umsetzung von Formen der kooperativen Leistungserbringung ist daher verstärkt darauf zu achten, dass diese Bedenken der beteiligten Ärzte entsprechend berücksichtigt werden.

In der Praxis ist es daher notwendig, die Kooperationsformen so auszugestalten, dass die beteiligten Ärzte in den vorhandenen Praxisräumen verbleiben können, keine umfangreichen Investitionen durchführen müssen, keine Haftung für dritte Kooperationspartner übernehmen müssen und aus einer Kooperation ohne "Gesichtsverlust" ausscheiden können.

Zu Beginn eine lockere Form

Aufgrund dieser Anforderungen muss eine Kooperation zwischen Ärzten zunächst in einer eher lockeren und "sanften" Form begonnen werden. Nach dem Wunsch der Beteiligten kann dann diese erste Stufe der Kooperation in weiteren Stufen zu einer verbindlichen und stringenten Kooperation ausgebaut werden.

So könnte eine Kooperation zunächst mit einem Netzwerk beginnen, aus dem dann etwa standortübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften (BAG), Teilberufsausübungsgemeinschaften oder Direktverträge oder Konzepte der Integrierten Versorgung entwickelt werden können.

Netztwerk ist die einfachste Stufe der Kooperation

Die Kooperation verläuft dann stufenweise - quasi subkutan - von einer einfachen hin zu einer komplexen Ausbaustufe. Aber auch bei den einzelnen Stufen der Kooperationsentwicklung sind die Wünsche und Bedürfnisse oder auch Ängste der Beteiligten zu berücksichtigen.

Ein Netzwerk bildet zunächst die einfachste Stufe der Kooperation zwischen Ärzten. Dieses Netzwerk kann zu Beginn mit wenigen, im Grenzfall mit zwei Leistungserbringern starten.

Ein solches Netz bildet in der Regel keine eigene Rechtsform, ist nicht mit umfangreichen Investitionen verbunden, und die Leistungserbringer können in ihren Praxisräumen bleiben. Gegenstand der Vernetzung ist lediglich die Abstimmung in einzelnen Teilbereichen der Leistungserbringung.

Mit einem Behandlungspfad können Ärzte starten

Lockere Kooperationsformen

Verbund/Netz: Start zum Beispiel mit lockerer Vereinbarung über einen strukturierten Behandlungspfad zwischen mehreren Beteiligten. Keine Investition, keine Haftungsprobleme, spürbare Vorteile für Patienten in der Versorgung.

Teilberufsausübungsgemeinschaft (TGP): Die Kooperation wird nur für einige Leistungsbereiche vereinbart. Diese Leistungen werden gemeinsam abgerechnet. Kein Wechsel des Praxisstandortes, überschaubare Investitionen, Haftungsproblematik über Verträge lösbar.

Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (ÜBAG): Gemeinsame Abrechnung, engere Kooperation bei der Behandlung von Patienten, mögliche Basis für Direktverträge mit Kassen, kein Standortwechsel nötig.

So kann zum Beispiel im Rahmen eines Netzwerkes für Prävention der Behandlungspfad zwischen den beteiligten Ärzten (zum Beispiel Hausarzt, Orthopäde, Kardiologe sowie eventuell Physiotherapeut oder Ökotrophologe) abgestimmt werden.

In diesem Netz handelt jeder der Leistungserbringer eigenverantwortlich und rechnet selbstständig seine erbrachten Leistungen ab.

Inhalte und Form der Leistungserbringung werden lediglich im Rahmen des abgestimmten Behandlungspfades mit den übrigen Ärzten synchronisiert.

Bereits diese Form der Kooperation ist mit erheblichen Vorteilen im Bereich der Versorgung der Patienten sowie mit deutlichen wirtschaftlichen Vorteilen für die Leistungserbringer verbunden.

Aus dem Netz wird eine standortübergreifende BAG

Auf der nächsten Stufe kann sich gegebenenfalls auf der Basis des Netzes eine neue Struktur in Form standortübergreifender Berufsausübungsgemeinschaften (standortübergreifende Gemeinschaftspraxis) herausbilden.

Diese Form der Kooperation ist deutlich verbindlicher als die des Netzwerkes und ist mit einer eigenen Rechtsform verbunden.

Dennoch kann auch diese Form der Kooperation, insbesondere in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft, so ausgestaltet werden, dass die Eigenständigkeit der beteiligten Partner weitestgehend erhalten bleibt.

Haftung kann auf den individuellen Verantwortungsbereich beschränkt werden

Auch bei dieser stringenteren Form der Kooperation bleiben die beteiligten Ärzte, soweit dies gewünscht wird, in ihren Praxisräumen, sodass umfangreiche Investitionen nicht erforderlich sind.

Ferner kann durch die Wahl der richtigen juristischen und steuerlichen Konstruktion die Haftung der beteiligten Ärzte so ausgestaltet werden, dass diese nur auf den jeweils eigenen individuellen Verantwortungsbereich beschränkt wird.

Funktionsfähige Ärztekooperationen und standortübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften sind die ideale Basis für Direktverträge und für Konzepte der Integrierten Versorgung.

Bilateraler Vertrag mit Kostenträger

Die dazu notwendigen Verträge mit Kostenträgern können durch Einschaltung einer Managementgesellschaft so gestaltet werden, dass jeweils der einzelne Leistungserbringer nur einen bilateralen Vertrag mit dem Kostenträger schließt.

Der gemeinsame Vertragsabschluss aller Kooperationspartner mit einem Kostenträger und die damit verbundenen Haftungsrisiken werden somit vermieden.

Die beteiligten Ärzte sind lediglich gehalten, die mit dem Direktvertrag verbundenen medizinischen Inhalte des Behandlungspfades untereinander abzustimmen und koordiniert in dem vorgegebenen System zu erbringen. Auf diese Weise können die entsprechenden Haftungsrisiken abgefangen werden.

Jeder Partner erbringt eine eigenständige Leistung

Eine Kooperation muss immer an den Inhalten und am Nutzen für Patienten ausgerichtet sein. Im Kern geht es darum, die spezialisierten Leistungen verschiedener Ärzte zu kombinieren, um den Behandlungspfad und die Versorgung zu optimieren.

Jeder der Partner erbringt damit eine eigenständige und wesentliche Behandlungsleistung. Die Vergütung der beteiligten Ärzte richtet sich nach diesem Leistungsbeitrag.

Ein solches Konstrukt ist auf keinen Fall eine verbotene Zuweisung gegen Entgelt und führt auch aus Sicht der Patienten nicht zu einer "Ökonomisierung der Patientenversorgung", sondern zu einer medizinischen Optimierung der Versorgung.

Kooperationen so ausgestalten, dass Bedenken und Wünsche der beteiligten Ärzte berücksichtigt werden

Die einzelnen Stufen der Kooperation können immer so ausgestaltet werden, dass den Bedenken und den Wünschen der beteiligten Ärzte, insbesondere der Wunsch nach Eigenständigkeit und Flexibilität, Rechnung getragen wird.

Die Kooperation kann daher auf jeder Stufe darauf getestet werden, ob die fachliche und auch die menschliche Ebene den eigenen Vorstellungen entsprechen: "Drum prüfe, wer sich ewig bindet!".

Steuerberater Dr. Jürgen Karsten und Steuerberater Marc Müller sind Geschäftsführer der Kanzlei ETL ADVISION in Berlin.

Mehr zum Thema

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie Hausärzte Fortbildung jetzt „feiern“

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tierexperiment: Neuer Signalweg identifiziert

Essen in Sicht? Die Leber ist schon aktiv!

Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer