Handdesinfektion

Lösung für Hygienemuffel

Ärzte in Kliniken sind anscheinend oft größere Hygienemuffel als ihre Patienten. Denn sie desinfizieren sich seltener die Hände – und das gerade in sensiblen Bereichen.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Vorbildlich: Händedesinfektion im Krankenhaus. Nicht alle Ärzte kommen dieser Präventionsmaßnahme immer nach.

Vorbildlich: Händedesinfektion im Krankenhaus. Nicht alle Ärzte kommen dieser Präventionsmaßnahme immer nach.

© Wavebreak Media / Thinkstock

HANNOVER. Wie kann man Krankenhausärzte dazu bringen, dass sie sich die Hände besser desinfizieren? Diese Frage stellt sich der Hannoveraner Medizinpsychologe Dr. Thomas von Lengerke von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Denn in einer Studie hat er festgestellt, dass verhaltenspsychologische Maßnahmen zwar bei den Pflegenden die Händehygiene nachhaltig verbessern, bei Ärzten aber nicht. Sein Lösungsvorschlag: Zugleich hierarchischer und teamorientierter lernen.

Zwischen 2012 und 2013 sind die Compliance-Raten bei der Händedesinfektion im Rahmen der Aktion "Saubere Hände" an Intensivstationen und Knochenmarktransplantationsstationen der Hochschule Hannover gesunken, hat von Lengerke festgestellt. Für besagte Stationen hatte sich gezeigt, dass die Compliance-Raten nach Anfangserfolgen 2012–2013 wieder "auf das Ausgangsniveau zurückgefallen (Ärzte 48 Prozent, Pflegende 56 Prozent)" waren, so die Studie.

Compliance stieg 2015 auf 70 Prozent

Er wollte die gesunkenen Compliance-Raten mit maßgeschneiderten Maßnahmen der Verhaltenspsychologie wieder einfangen: Mit ultraviolettem Licht demonstrieren, wie schlecht die Hände desinfiziert sind, mit öffentlich verliehenen Urkunden für Stationen mit besonders guter Compliance motivieren, mit Schulungen und Feedback-Gesprächen ein Problembewusstsein schaffen und Handlungsalternativen erarbeiten.

Die Kontrollgruppe wurde nach den Maßgaben der Aktion Saubere Hände geschult. Das Ergebnis können sich sehen lassen. Die Compliance stieg 2014 auf 64 Prozent und 2015 auf 70 Prozent. In der Kontrollgruppen fiel die Compliance nach erstem Anstieg auf 68 Prozent wieder auf 64 Prozent zurück.

Kein Motivationsproblem

Allerdings geschah der Erfolg der Interventionsgruppe "vor allem durch Effekte bei den Pflegenden. Hingegen unterschieden sich diese Parameter zwischen den Studienarmen bei den Ärzten nicht", heißt es. "Schockierenderweise gab es besonders niedrige Desinfektionsquoten vor aseptischen Tätigkeiten auf Station, zum Beispiel vor dem Katheterlegen", so von Lengerke zur "Ärzte Zeitung".

Die geringere Compliance der Ärzte sei "kein Motivationsproblem, sondern ein Umsetzungsproblem", ist von Lengerke sicher. Ärzte seien meistens hoch motiviert und auf die sichtbare Wendung zum Guten, zur Gesundung fixiert. Eben dies nütze aber bei Präventionsmaßnahmen wenig. Im Gegenteil. "Denn von der Logik her ist Prävention nur dann erfolgreich, wenn nichts passiert."

Händedesinfektion gehört bei Pflegenden zum Kerngeschäft

Um diesen Effekt zu umgehen, könnte man "Compliance-Raten und Infektions-Raten übereinander legen um die Effekte sichtbar zu machen." Natürlich haben die Pflegenden auch mit der gegenläufigen Logik der Prävention zu kämpfen. "Aber bei ihnen gehört die Händedesinfektion eher zum Kerngeschäft. Die Ärzte dagegen haben noch andere Aufgaben, als am Bett zu arbeiten." Deshalb plädiert von Lengerke zum Beispiel für Teamschulungen auf den Stationen, um die Compliance auch bei Ärzten zu steigern.

"Wir hoffen, in einen Diskussionsprozess zu kommen, um zu sehen was man bei den Ärzten noch anders machen kann. Führungsorintierte Maßnahmen würden auch eine Rolle spielen, wir haben ja immer noch ein hierarchisches System." Einen ganz anderen Weg würde eine "Speak-up-Kampagne" einschlagen, meint er.

Man würde die Patienten bitten, Ärzte und Pflegende anzusprechen, wenn sie sich nicht die Hände desinfizieren. Wenn der potenziell Betroffene den potenziellen Überträger einer Infektion auf das Problem aufmerksam machen würde, "wäre dies ein sozialpsychologisch extrem potentes Mittel."

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Kommentare
Horst Grünwoldt 22.02.201714:58 Uhr

Hände-Desinfektion

Sehr geschätzter Dr. Bayerl,
für mich ist dermatologisch die häufige, unbedenkliche Verwendung von Glycerin als Hauptbestandteil von Kosmetika ein wahres Problem! Glycerol steht nach Aqua an zweiter Stelle mengenmäßig in jeder Lotion.
Natürlich, weil es nach Einreibung auf rauen Händen den "smoothen" Effekt erzeugt; und wie? Es löst und verstreicht das verhornte Platten-Epithel -die wichtigste Barriere der Oberhaut-; und bei wiederholter Massage dürfte es das auch Abbrubbeln.
Dass die Cutis irgendwann mit der Nachbildung der obersten Schutzschicht nicht mehr nachkommt, könnte das mit ein Grund für die dünnerwerdende Altershaut auf dem Handrücken sein?
Unklar ist mir, inwiefern Glycerol als Bestandteil von "Sterillium" zum "Nachfetten" der Chirurgenhand führen kann?
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rostock

Wolfgang P. Bayerl 20.02.201717:38 Uhr

Die Überschrift und das Foto sind eine Provokation

... Insbesondere die nicht sachlich begründete antiärztliche Stoßrichtung. Denn hier(Foto) geht es um CHIRUGISCHE Händedesinfektion, klar, besonders aufregend, nur ist die höchstens schlechter geworden seit Eintritt der theoretischen Hygieneüberwacher in der Klinik. Das muss einmal klar gesagt werden! Manche Hygieiker wollten sogar das Händewaschen verbieten. Aus Kostengründen haben die Hygieniker unsterile Papierhandtücher zum Händeabtrocknen eingeführt. Früher gab es dafür STERILISIERTE Textilhandtücher nur für diesen Zweck. Wasch-und Desinfektionszeiten waren in der Regel länger nicht kürzer.
Herr@Grünwold, Sterilium®, um nur das bekannteste zu nennen, gab es schon vor über 50 Jahren und das enthält u.a. Gycerin zur Hautrückfettung, schädigt also NICHT die Haut, so dass man das jahrzehntelang OHNE Hautschädigung auch mehrmal täglich machen kann, die wirklich seltenen Allergiker mal ausgenommen, die ggf. auch ihren Beruf wechseln mussten. Ich vertrage auch nicht alles, aber Sterilium hervorragend.

Was versteht bitte ein Patient oder eine fremdgeschulte Schwester da besser als ein gelernter Chirurg.
Das Bild, dass hier in der Öffentlichkeit vermittelt wird ist verheerend!
Wie sollte man denn früher ohne all die Besserwisser überhaupt eine Nieren- oder Lebertransplantation hinkriegen können?
Die erste Nierentransplantation fand 1954 (Boston)statt, 1963(Berlin),
die erste Lebertransplatation 1967(Pitsburg), 1969 (Bonn), das sind immunsupprimierte Patienten, bei denen nicht nur der Op, sondern auch die Nachbehandlung auf der Intensivstation (Zimmer mit Schleuse) hygienisch perfekt sein muss.
Vergessen wird auch immer mehr, dass die mikrobiologischen Gesetze der Wundheilung (primär/sekundär) bzw. chirurgischen Wundversorgung von dem Deutschen Chirurg Dr. Paul Leopold Friedrich 13. April 1898 stammen,
welcher Hygieniker kennt den noch? Der hat deshalb auch bei Robert Koch gearbeitet, auch kein Hygieniker!

Also bitte etwas mehr Respekt vor den Chirurgen, die eh immer mit einem Bein vor dem Strafrichter stehen (in Deutschland)!
Keine Frage, dass Hygieniker nützlich sind, aber ohne Kliniker bleiben sie oft ahnungslos, auch in der Krankheitsdiagnose und sie übernehmen systematisch KEINE Verantwortung, fällt das keinem auf?
Einen Gasbrand können sie nicht erkennen.

Das musste gesagt werden.
Nicht jeder Arzt ist Chirurg, deshalb ist auch "die Ärzte" falsch.

mfG

Dr.Bayerl, Düsseldorf

Horst Grünwoldt 20.02.201714:35 Uhr

Unsere guten Hände

Von unserer Tageshand -sofern sie nicht mit infektiösen Material massiv kontaminiert wird- geht gewiß noch keine Infektionsgefahr aus bei den normalen alltäglichen Verrichtungen.
Ärzte und Pflegepersonal werden durch die Krankenhaus-Hygieniker zur wiederholten hygienischen Händedesinfektion aufgerufen. Die ist sogar in einer Norm festgeschrieben, bei der immer auch die gesamte Hand mit einem alkoholischen Präparat vollständig einzureiben ist.
Chirurgen wissen ein trauriges Lied davon zu "singen", was die Reinigung mittels Seife und Bürste, und die alkoholische "Desinfektion" ihres wertvollsten Instrumentes auf Dauer nach sich zieht...
Mir ist inzwischen bewußt geworden, dass es für das Pflegepersonal und die nicht-operierende Ärzteschaft eigentlich ausreichend sein müßte, lediglich die rel. dicke Lederhaut an der Hand-Innenfläche mit dem alkoholischen "Desinfektions"-Mittel zu dekontaminieren. Das ist bekanntlich die Berührungsfläche, mit der Gegenstände und Körperflächen in (bakteriellen)Kontakt kommen; und nicht etwa der Handrücken. Dessen Haut ist nachweislich -besonders altersabhängig- immer dünner werdend und sowieso weniger bakteriell keimbesiedelt. Wohingegen der Handteller und die Finger-Innenfläche in der robusten Lederhaut auch noch die große Zahl von Schweißdrüsen aufweist. Den Vergleich würde jede Abklatsch-Kultur standhalten.
Wäre es im Sinne des Arbeitsschutzes, und zugleich der Infektions-Prophylaxe -aufgrund der unterschiedlichen Hautbeschaffenheit von Handrücken und -teller, ergänzend zur rigiden "hygienischen und chirurgischen Händedesinfektion" noch eine "Hände-Dekontaminations-Vorschrift" einzuführen. Und die würde beinhalten, dass nach normalen Pflege- und Untersuchungs-Tätigkeiten die potentielle Hauptinfektions-und Übertragungsquelle -die robuste Handinnenfläche- nur noch wiederholt im Dienstablauf mit dem "desinfizierenden" Alkoholpräparat benetzt und palmar, sowie interdigital verrieben wird?
Eigentlich dürfte jeder medizinisch Tätige beim Betrachten seiner guten Hände feststellen, dass insbesondere der Handrücken des Schutzes vor hautaggressiven Substanzen bedarf!
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rostock

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