Richtgrößenprüfung

Bayerns Ärzte fordern Pause

Systematische Fehler bei der Prüfung von Richtgrößen und Co. gehen Bayerns Ärzten ziemlich gegen den Strich. Jetzt fordern sie von der Politik, dem einen Riegel vorzuschieben.

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MÜNCHEN. In Bayern soll das Gesundheitsministerium dafür sorgen, dass alle Wirtschaftlichkeits-, Richtgrößen- und Ersatzrichtgrößenprüfungen, die die Verordnung von Arznei- und Heilmitteln betreffen, eingestellt werden, bis eine neue Prüfvereinbarung geschlossen ist. Das hat die Vertreterversammlung der KV Bayerns (KVB) am Mittwoch einstimmig gefordert.

Die Überprüfung der derzeitigen Systematik der Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach Durchschnittswerten durch die KVB habe eindeutig Fehler im System aufgedeckt, erklärte der Delegierte Dr. Wolfgang Hoppenthaller.

Ein bayernweiter Vergleich der Verordnungskosten für Heilmittel zeige, dass dort, wo Hausärzte viel verordnen, Fachärzte wenig verordnen - und umgekehrt. "So geraten Vollversorger-Praxen in die Prüfung, nur weil sie Verordnungen ausstellen, die in anders versorgten Bereichen von mitbehandelnden Ärzten unbeanstandet ausgestellt werden", so Hoppenthaller.

Die Frage, ob eine Praxis in die Wirtschaftlichkeitsprüfung kommt, hänge also wesentlich vom Standort ab. Hinzu komme, dass neben den regionalen Versorgungsunterschieden auch noch unterschiedliche Morbiditätsstrukturen, Hausarztverträge und Verdünnereffekte zu einer Verzerrung führen, so dass Durchschnittswerte nicht mehr das Maß einer wirtschaftlichen Verordnungsweise darstellen, erläuterte Hoppenthaller. Außerdem sei das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung völlig intransparent, kritisierte er.

Regressforderungen alles andere als Bagatelle

Bei mehr als 1800 Prüfverfahren kommen etwa 300 Praxen in die Prüfung, wobei nicht erkennbar sei, welche Kriterien dafür ausschlaggebend sind. Für die Betroffenen bestehe höchste Gefahr, durch die festgesetzten Regresse erhebliche Vermögensschäden zu erleiden, selbst wenn sie korrekt und wirtschaftlich verordnet haben.

Unterdessen hat der Bayerische Hausärzteverband (BHÄV) erste Ergebnisse einer Regress-Umfrage veröffentlicht, an der sich bislang etwa 400 Ärzte beteiligt haben. Demnach glauben 94,5 Prozent der Hausärzte in Bayern, dass die Regressandrohung das Verordnungsverhalten negativ beeinflusst.

Über 98 Prozent kennen Regresse aus eigener Erfahrung: Über 60 Prozent der Hausärzte mussten sich bislang mit ein bis neun Regressverfahren auseinandersetzen, 33 Prozent mit zehn bis 49 Verfahren. Ein Arzt gab sogar an, dass er im Laufe seines Berufslebens bereits mit über 100 Regressverfahren konfrontiert worden ist, berichtete der BHÄV.

"Diese ersten Zahlen bestätigen eindrucksvoll, dass eine Regressforderung keinesfalls eine Bagatelle für den betroffenen Arzt ist, wie dies von verschiedenen Krankenkassenvertretern immer wieder gerne dargestellt wird", erklärte der stellvertretende BHÄV-Vorsitzende Dr. Markus Beier.

Die Angst vor einem Regress sei eine besondere Form der Budgetierung. Das müsse auch der Öffentlichkeit deutlich gemacht werden. (sto)

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