Pharma-Innovation

"Mut zum Risiko"

Mehr Mut zum Risiko, steuerliche Förderung der Forschung und von Wagniskapital, Abbau bürokratischer Hürden: Unter diesen Bedingungen könnte Europa in der Pharma- und Biotech-Forschung zu den USA aufschließen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

FRANKFURT. Wenige Tage vor dem am Montag endlich startenden ressortübergreifenden Pharma-Dialog der Bundesregierung äußerte Professor Alexander Verl von der Fraunhofer-Gesellschaft beim House-of-Pharma-Kongress in Frankfurt eine Vision: "Im Maschinen- und Automobilbau sind wir, was Innovationen angeht, den USA meilenweit voraus. So etwas für die Pharma-Industrie zu schaffen, muss wachsen, braucht Zeit und vor allem den politischen Willen."

"Wissenschafts- und Pharma-Standort Europa - wie wettbewerbsfähig sind wir?", dieser Frage sollte eine Diskussionsrunde im Rahmen des Frankfurter Kongresses nachgehen.

Nimmt man den Forschungs-Output, so steht Europa gar nicht schlecht da: Zwischen 2009 und 2013 kamen 66 neue Wirkstoffe aus Europa, die USA kamen auf 64. Aber US-Forscher arbeiten unter günstigeren wirtschafts- und forschungspolitischen Bedingungen: 22 Prozent aller F+E-Aufwendungen fließen in den Pharma- und Biotech-Bereich, in Europa sind es nur 17 Prozent.

Ferner gibt es eine stattliche Förderung über das vor wenigen Jahren gegründete National Center for Translational Science; 657 Millionen Dollar fließen vom Staat in die Forschung.

Außerdem sind Kapitalgeber wesentlich risikofreudiger: Von den Start-up-Unternehmen sterben neun von zehn im Laufe der Zeit. In Deutschland überlebt jedes zweite Unternehmen. "Wir müssten risikofreudiger werden", schlussfolgert Verl.

Ein anderes europäisches, speziell auch deutsches Problem ist die Refinanzierung von Innovationen in den staatlich stark regulierten Absatzmärkten. "Wir sind froh, dass wir in 80 Länder exportieren und nicht von Deutschland abhängig sind", sagt Professor Gregor Schulz, Vorstands-Vorsitzender der Biotest AG.

Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen kompliziert und langwierig

Eine derartige Diversifizierung der Absatzmärkte ist dem Mittelstand in Deutschland nicht möglich, beklagt der Vorsitzende des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, Dr. Martin Zentgraf.

Viele Unternehmen machen noch immer mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes in Deutschland und geraten damit in eine Sandwich-Position: einerseits steigende Personal- und insbesondere Energiekosten in Verbindung mit wachsenden administrativen Anforderungen, andererseits ein gesetzlicher Rabatt in Verbindung mit einem Preismoratorium, dass zwischen 2010 und 2017 keinerlei Kostenüberwälzungen zulässt.

Über Bürokratie klagt auch Schulz: die Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen seien kompliziert und langwierig, jede beteiligte Klinik wolle Individualverträge - in den USA sei das weitgehend vereinheitlicht. Es gebe keine Förderung der frühen klinischen Forschung. "Da brauchen wir mehr Schlagkraft. Vor allem aber: Time is money. Da sind die Amerikaner uns weit voraus."

Die politischen Botschaften fasst Verl so zusammen:

- Steuerliche Forschungsförderung, so wie es sie bereits in den meisten Ländern gibt, auch in Deutschland;

- Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital;

- Steuerfreiheit für Veräußerungserlöse, wenn diese reinvestiert werden;

- Planungssicherheit für die pharmazeutische Industrie.

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