Bilanz

Bei Boehringer unterm Strich ausnahmsweise mal ein Minus

Boehringer in den roten Zahlen – das hat Seltenheitswert. Der Spartentausch mit Sanofi und die US-Steuerreform haben dem Familienunternehmen den höchsten Steueraufwand seiner Geschichte beschert. Operativ ist man mit dem Geschäftsjahr aber sehr zufrieden.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Biotechproduktion bei Boehringer im schwäbischen Biberach.

Biotechproduktion bei Boehringer im schwäbischen Biberach.

© Boeringer

INGELHEIM. Die Erstkonsolidierung des von Sanofi übernommenen Veterinärgeschäfts "Merial" hat Boehringer 2017 einen kräftigen Umsatzschub beschert. Allerdings trug der Spartentausch – die Ingelheimer gaben dafür ihr OTC-Geschäft an Sanofi ab – entscheidend auch zu einer außergewöhnlich hohen Steuerlast bei. Hinzu kam die US-Steuerreform, die ebenfalls einen negativen Effekt brachte. Summa summarum musste Boehringer 3,1 Milliarden Euro an den Fiskus überweisen – "den höchsten Steueraufwand unserer Unternehmensgeschichte", so Konzernchef Hubertus von Baumbach anlässlich der Bilanzvorstellung 2017 am Mittwoch in Ingelheim. Unterm Strich stand schließlich ein Minus von 223 Millionen Euro. Für von Baumbach jedoch kein Grund, Trübsal zu blasen; operativ sei das vergangene ein "sehr erfolgreiches Jahr" gewesen.

Wachstumstreiber Diabetes

Mit 14 Prozent Umsatzwachstum (auf rund 18 Milliarden Euro) und 21 Prozent mehr Gewinn vor Zinsen und Steuern (absolut 3,5 Milliarden Euro) habe sich die operative Ertragskraft um 1,2 Punkte auf 19,3 Prozent verbessert. Insbesondere die Pharmasparte habe, so von Baumbach, mit 12,6 Milliarden Euro (+5,0 Prozent, währungsbereinigt +7,0 Prozent) die Erwartungen übertroffen. Die generische Konkurrenz für das Hauptprodukt Spiriva® (Tiotropium) fiel moderat aus, sodass die Verkäufe hier währungsbereinigt lediglich um knapp vier Prozent auf 2,8 Milliarden Euro nachgaben. Zweitgrößtes Produkt war der Gerinnungshemmer Pradaxa® (Dabigatran), der um fünf Prozent auf 1,4 Milliarden Euro zulegte.

Als die eigentlichen Wachstumstreiber erwiesen sich erwartungsgemäß die neuen oralen Antidiabetika Linagliptin (Trajenta® und als Fixkombi mit Metformin Jantadueto®) sowie Empagliflozin (Jardiance®). Erstere brachten es auf 1,3 Milliarden Euro Umsatz (+21 Prozent), Letztere erstmals auf knapp über eine Milliarde (+136 Prozent). Dicht an der Blockbustergrenze steht inzwischen der Tyrosinkinase-Hemmer Nintedanib (Ofev®). Die Verkäufe dieses Orphan Drugs gegen idiopathische Lungenfibrose legten 2017 um 52 Prozent auf 920 Millionen Euro zu.

Drei Milliarden für F&E

Im Heimatmarkt Deutschland, für Boehringer nach den USA und Japan der drittgrößte Markt, verbesserte sich der Konzernumsatz um drei Prozent auf 982 Millionen Euro und blieb damit deutlich unter dem europaweit erzielten Zuwachs von 12 Prozent.

Für Forschung und Entwicklung gab Boehringer im vergangenen Jahr knapp 3,1 Milliarden Euro aus, geringfügig weniger (-1,0 Prozent) als im Vorjahr. Der Löwenanteil entfiel mit 2,7 Milliarden Euro auf humanpharmazeutische Studienprojekte, der Rest auf Produktentwicklungen zur Tiergesundheit.

Die Pharma-Forschungsquote lag 2017 mit 21,5 Prozent zwar um zwei Punkte unter Vorjahr, muss sich im Branchenvergleich aber nach wie vor nicht verstecken. Und dürfte vermutlich auch in den nächsten Jahren nicht entscheidend sinken. Denn mit derzeit 80 klinischen und präklinischen Projekten hat Boehringers F&E-Ressort alle Hände voll zu tun. Bei 65 Prozent dieser Pipeline-Kandidaten handelt es sich den Angaben zufolge um "First-in-class"-Wirkstoffe oder um Wirkstoffe, die das Potenzial hätten, als Therapiedurchbruch eingestuft zu werden.

Bis 2025 rechnet Boehringer mit der Zulassung fünfzehn neuer Medikamente. Ein Highlight der aktuellen Pipeline, heißt es weiter, sei der erste Anti-Interleukin-36-Antikörper ("BI 655130"), der in der Erstindikation Psoriasis pustulosa getestet wird.

Boehringer

Ingelheim 2017

- Umsatz: 18,1 Milliarden Euro (+14 Prozent) Pharma: (Rx-Originale) 12,6 Milliarden Euro (+5,0 Prozent) Tiergesundheit: 3,9 Milliarden Euro (+167 Prozent) Biotechproduktionfür Dritte: 678 Millionen Euro (+11,0 Prozent)

- Operativer Gewinn: 3,5 Milliarden Euro (vor Zinsen und Steuern, +21 Prozent)

- Überschuss: -223 Millionen Euro (-112 Prozent)

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