Sanofi

Strukturwandel am Standort Höchst

Die traditionsreiche Pharmaproduktion in Frankfurt Höchst unterliegt einem Strukturwandel: Insuline verlieren an Bedeutung, neue Biotechwirkstoffe gewinnen in Sachen Standortauslastung immer mehr Gewicht.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Das Distributionszentrum im Industriepark Höchst: Von hier gehen Arzneimittel in über 85 Länder.

Das Distributionszentrum im Industriepark Höchst: Von hier gehen Arzneimittel in über 85 Länder.

© Martin Joppen / Sanofi

FRANKFURT/MAIN. Sanofi Deutschland hat 2018 auf Marktniveau zugelegt: 1,6 Milliarden Euro wurden im Geschäft mit Dritten erlöst; 6,4 Prozent mehr als im Vorjahr.

Einschließlich konzerninterner Lieferungen sowie Servicegeschäft verbuchten die hiesigen Sanofi-Aventis-Gesellschaften Einnahmen über 4,8 Milliarden Euro.

Und die Aussichten sind offenbar weiterhin günstig. Dieses Jahr werde das Geschäft mit Dritten voraussichtlich um fünf Prozent wachsen, kündigte bei einem Pressegespräch am Dienstag im Industriepark Höchst Deutschlandchef Dr. Fabrizio Guidi an.

Dunkle Wolken auf den Standort wirft lediglich das Diabetes-Geschäft. Der Industriepark ist traditionell auf Insulinproduktion fokussiert. Über die Jahre hat auch Sanofi diesen Fertigungsschwerpunkt stetig ausgebaut.

Seit geraumer Zeit gehen die Sparten-Einnahmen jedoch zurück, hauptsächlich wegen generischer Konkurrenz für Lantus® (Insulin glargin).

2014, im letzten Jahr unter Patentschutz, erlöstedas rekombinante Langzeitinsulin 6,3 Milliarden Euro, 2018 brachte der Wirkstoff – einschließlich Verkäufen der patentgeschützten Hochdosis-Version Toujeo® – noch 4,4 Milliarden Euro.

„Müssen kompetitiver werden“

Hinzu kommt, dass die Wachstumsmärkte für Insulinpräparate heute China, Indien und Asien heißen – Märkte, in denen Sanofi preislich noch nicht konkurrenzfähig sei, wie Fertigungsleiter Dr. Malte Greune erläutert. „Da werden wir kompetitiver werden und mehr automatisieren müssen.

Seit nun auch von Stellenabbau in der Sparte die Rede ist, grassiert in der Belegschaft die Befürchtung, Sanofi könnte sich ganz vom Thema Diabetes verabschieden. Was Forschungsleiter Professor Jochen Maas vehement verneint.

„Wir machen in Höchst definitiv weiter mit Diabetes.“ Das Forschungsinteresse richte sich derzeit etwa auf die medikamentöse Verbesserung der Insulinsensitivität sowie auf gastrointestinal ansetzende Wirkstoffe zur Gewichtsabnahme bei Adipösen. Allerdings nehme die Bedeutung anderer rekombinanter Präparate, etwa Krebs-Antikörper, für den Standort immer weiter zu.

Der Industriepark Höchst sei schon heute einer von konzernweit lediglich drei Kompetenzzentren für rekombinante Proteine. Man beherrsche hier nicht nur die Produktion sowohl in E.Coli als auch in Säugetierzellen und Hefen, sondern sämtliche weiteren Produktionsschritte bis zur anwendungsfertigen Abfüllung.

Wir machen in Höchst definitiv weiter mit Diabetes.

Professor Jochen Maas Geschäftsführer F&E Sanofi-Aventis Deutschland GmbH

Derzeit sei Höchst bereits zuständig für die Marktversorgung mit dem Fusionsprotein Aflibercept, das Sanofi unter dem Namen Zaltrap® gegen Kolorektal-Karzinom vertreibt.

Das nächste zur Standortauslastung wichtige Produkt sei Isatuximab gegen multiples Myelom; in den USA und Europa stehe der Zulassungsantrag für den CD38-Antikörper unmittelbar bevor, versichert Maas. Weitere Produkte, die in Höchst vom Band laufen könnten, befänden sich in der Pipeline, dürften namentlich aber noch nicht genannt werden.

Den Investitionen nach zu urteilen, die die Pariser Konzernleitung in der vergangenen Dekade für Höchst freigegeben hat, lassen sich jedenfalls keinerlei Absichten erkennen, hier kürzertreten zu wollen. 1,2 Milliarden Euro wurden den Angaben zufolge seit 2009 in Sachanlagen investiert.

Erst vor einigen Tagen wurde ein neuer, 42 Millionen Euro teurer Betriebstrakt errichtet („Devices Technology Center“), in dem Applikationshilfen für Insuline und rekombinante Proteine entwickelt werden.

84 Pipeline-Projekte

Ebenso wenig lässt der aktuell kommunizierte Produktnachschub auf drohende Kurzarbeit schließen. 77 Projekte befänden sich in klinischen Projekten der Phasen I bis III, sieben weitere bereits im Zulassungsverfahren, berichtet Forschungsleiter Maas; zwei Drittel der Produktkandidaten seien Biologicals.

Die größten Indikationsgebiete der heutigen Sanofi-Entwicklung seien Krebs (26 Projekte) und Autoimmunerkrankungen (19). Zudem fänden acht Projekte zu MS und anderen neurologischen Indikationen statt und immerhin noch fünf zu Diabetes.

Mittelfristig (bis 2021) seien neben etlichen Indikationserweiterungen Zulassungsanträge für acht neue Wirkstoffe geplant: Neben dem bereits erwähnten Isatuximab auch für mehrere Kandidaten gegen seltene Erkrankungen sowie für ein schnell wirkendes Insulin aspart („SAR 341402“) und einen lang wirksamen GLP1-Agonist (Efpeglenatid), den Sanofi 2015 vom koreanischen Hersteller Hanmi einlizenziert hatte.

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