Diskussionsrunde

Ringen um eine wirksame Therapie

Gesundheitspolitik im Bundestag ist in dieser Legislatur vor allem Sacharbeit – parteipolitische Farbenspiele sind in den Hintergrund gedrängt. Eine Ausnahme macht die AfD, die sich in Fundamentalkritik am Gesundheitswesen übt, aber keine Alternativen bietet.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

BERLIN. Gesundheitspolitik nach der Wahl: Willkommen in den Niederungen grauer Sacharbeit.

Mit Ausnahme der AfD machten Abgeordnete des Bundestagsgesundheitsausschusses in einer Diskussionsrunde beim Hauptstadtkongress deutlich, dass sie – jenseits mancher parteipolitischer Unterschiede – in der Gesetzgebungsarbeit hart darum ringen werden, wie angebrannte Missstände (Stichwort Pflegenotstand) wirksam behoben werden können.

Defizite bei der Umsetzung

Sabine Dittmar von der SPD verteidigte das Sofortprogramm Pflege mit einer sicheren Finanzierung von 13.000 kurzfristig zu schaffenden Pflegestellen auf Kosten der GKV. Aber sie schränkte ein: "Mir ist klar, dass eine finanzierte Stelle noch keine besetzte Stelle ist."

Notwendig sei ferner eine bessere Vernetzung zwischen Zentren der Hochleistungsmedizin, der stationären Regelversorgung und ambulanten Praxen. Rechtlich vorhandene Möglichkeiten blieben weitgehend ungenutzt wie etwa die ambulante spezialfachärztliche Versorgung.

Ein großes Hemmnis für eine vernetzte Versorgung sei die völlig unterschiedliche Vergütungssystematik. Vieles werde nicht oder nur unzulänglich umgesetzt, etwa die möglichen Zuschläge für klinische Zentren.

Licht und Schatten sieht Christine Aschenberg-Dugnus von der FDP: Lob für die Entlastung bei den GKV-Beiträgen für Versicherte, auch für die Abschmelzung hohe Rücklagen bei den Kassen, die nach korrigierten Plänen erst nach einer RSA-Novelle erfolgen soll.

Kritisch sieht sie dagegen die Digitalisierungspläne der Koalition – "zu schwammig. Da ist mehr Tempo nötig, auch um Ärzte zu entlasten."

Die hochgesetzte Mindestsprechstundenzahl hält die FDP-Politikerin für "Placebo-Politik. Ich kenne nur Ärzte, die mehr als 20 Stunden arbeiten". Kausal ist die Terminproblematik ihrer Auffassung nach nur durch Entbudgetierung zu lösen.

Fehlentwicklung in Kliniken

"Positiv überrascht" worden ist Harald Weinberg (Linkspartei) von Teilen des Koalitionsvertrages. Das gelte vor allem für den pflegepolitischen Teil, der Ansatzpunkte enthalte, die brisante Situation zu entschärfen.

Harsche Kritik dagegen an den Zuständen der Krankenhausversorgung: Markt und Wettbewerb hätten die Fehlentwicklungen gefördert – "jetzt sind die Kliniken zu einem Eldorado für Unternehmensberater geworden", so Weinberg. Aber auch "altes Denken, Föderalismus und Schützengrabenkämpfe" verhinderten bessere Lösungen.

Als Treiber zielführender Innovationen sieht der Linke die Patienten, die aus Unterversorgung erwachsende Kreativität etwa von Ärztenetzen und die Digitalisierung. Dies ändere aber nichts daran, dass die für die Krankenhausplanung verantwortlichen Länder stärker ihren Finanzierungsverpflichtungen nachkommen müssten.

Klinikplanung erfordere Mut, der aber oft nicht vorhanden sei, so Karin Maag von der CDU. Deshalb werde der Weg beschritten, die Planung über Qualitätskriterien zu gestalten.

Allerdings, so bemängelt sie, werden bereits vorhandene Instrumente, wie etwa Zuschläge für Zentren, von der Selbstverwaltung nicht genutzt. Ganz zentral sei es deshalb, "dass sich das Parlament stärker um Umsetzungsfragen kümmert – und auch straffere Sanktionen bei Nichtumsetzung vorgesehen werden".

Moderates Lob auch von den Grünen: vor allem für die Parität und die Entlastung Selbstständiger beim Mindestbeitrag sowie für die geplante Reform der Notfallversorgung.

Da hätte die Koalition aber weiter gehen können, so Maria Klein-Schmeink, und beispielsweise mehr Modellversuche für eine strukturierte vernetzte ambulante und stationäre Versorgung initiieren müssen.

Altenpflege-Sofortprogramm ein "kleiner Baustein"

Die Digitalisierung sieht sie als verschlafen an – das hätte bereits unter den FDP-Gesundheitsministern ordentlich geregelt werden müssen.

Die Pflege, so fürchtet sie, wird ein Dauerproblem bleiben – was die Selbstverwaltung bislang zu Mindestpersonalvorgaben erarbeitet habe, drohe zu einem "Festschreiben des Pflegenotstandes" zu werden.

Das Sofortprogramm für die Altenpflege sieht sie zumindest als "einen kleinen Baustein".

Für die vier etablierten Fraktionen des Bundestages lautet das Fazit: Die Problembeschreibungen sind sehr ähnlich: Fachkräftemangel in der Pflege, Rückstand in der Digitalisierung, reformbedürftige Krankenhausstrukturen, unzulängliche Vernetzung der Sektoren und eine offene Flanke bei der Krankenhaus-Investitionsfinanzierung.

Mindestens zwei Probleme bedürfen einer zügigen Akuttherapie: Pflege und Digitalisierung – der Mehrwert in der Versorgung muss für den Bürger wieder spürbar werden, auch um Vertrauen in die politischen Institutionen zurückzugewinnen.

Und die AfD? – Sie ergeht sich in Fundamentalkritik. "DRG sind ein menschenverachtendes System, das völlig falsche Anreize setzt", so Professor Axel Gehrke.

Das Gesundheitssystem ersticke in Überbürokratisierung, Kontrolle, Misstrauen und Machtkämpfen. Die Bürger seien unzufrieden, spürten ein Missverhältnis zwischen Leistung und Ausgaben – und fürchteten sich vor dem Wandel. Doch die Alternative, die die Alternative für Deutschland anzubieten hat, ist eine leere Menge.

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