Britische Kohortenstudie

ASS-Prävention – Im Alter rigorose Blutungsprophylaxe!

Das Risiko, unter einer sekundärpräventiven ASS-Therapie eine schwere Blutung zu erleiden, ist bei Patienten im Alter ab 75 Jahren stark erhöht. In der Hälfte der Fälle liegt die Blutungsquelle im oberen Gastrointestinaltrakt.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Jeder zweite Patient, der zur Herzinfarkt- oder Schlaganfall-Sekundärprävention Thrombozytenhemmer erhält, ist älter als 75 Jahre.

Jeder zweite Patient, der zur Herzinfarkt- oder Schlaganfall-Sekundärprävention Thrombozytenhemmer erhält, ist älter als 75 Jahre.

© Robert Kneschke / stock.adobe.com

OXFORD. Die Empfehlung einer lebenslangen thrombozytenhemmenden Therapie für Patienten mit Herzinfarkt oder Schlaganfall beruht auf Studien, deren Teilnehmer in der Regel jünger als 75 Jahre waren. Heute ist jedoch jeder zweite Patient mit Sekundärprävention über dieses Alter hinaus. Ärzte der Universität Oxford weisen nun im Fachblatt "Lancet" darauf hin, dass jenseits der 75 Jahre der Nutzen einer plättchenhemmenden Therapie durch die steile Zunahme von schweren Blutungen geschmälert wird. Weil die meisten invalidisierenden und tödlichen Blutungen aus dem oberen Gastrointestinaltrakt stammen, raten sie zur gleichzeitigen Verordnung von PPI.

Die Mediziner um Linxin Li haben in einer prospektiven bevölkerungsbasierten Kohortenstudie untersucht, wie sich das Blutungsrisiko unter Thrombozytenhemmern in Abhängigkeit vom Alter verändert (Lancet 2017, online 13. Juni). Bei den 3166 Patienten, davon 1582 im Alter ab 75, war nach dem erstmaligen Auftreten eines Herzinfarkts (35 Prozent) oder auch einer TIA oder eines Schlaganfalls (65 Prozent) eine Therapie mit ASS plus Clopidogrel bzw. mit ASS plus Dipyridamol eingeleitet worden. Ein PPI wurde nicht routinemäßig dazu gegeben, 33 Prozent der Patienten hatten aber eine solche Therapie.

Während der Nachbeobachtungszeit von maximal zehn Jahren wurden 405 erste Blutungskomplikationen dokumentiert, davon 218 gastrointestinale und 45 intrakraniale. Von den 187 schweren Blutungen ereigneten sich 97 im oberen Magen-Darm-Trakt. Das Auftreten von Blutungen, die nicht als schwer eingestuft wurden, war unabhängig vom Alter. Auch schwere Blutungen nahmen bis zum Alter von 70 nicht signifikant zu. Danach war jedoch ein steiler Anstieg zu verzeichnen.

So erhöhte sich zum Beispiel bei Schlaganfall-/TIA-Patienten die jährliche Rate schwerer Blutungen in den ersten drei Jahren von 1,1 Prozent bei den unter 75-Jährigen auf 4,1 Prozent bei den über 85-Jährigen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg war das jährliche Risiko bei allen Patienten ab 75 rund dreimal so hoch wie bei jüngeren Patienten; das Risiko für tödliche Blutungen war mehr als verfünffacht. Gastrointestinale Blutungen, die zu Funktionseinschränkungen oder Tod führten, traten bei den Älteren sogar zehnmal so häufig auf. Das absolute Risiko dafür lag bei ihnen mit 9,2 pro 1000 Patientenjahre auch über dem von invalidisierenden oder tödlichen intrazerebralen Blutungen.

Als Folge davon änderte sich mit dem Alter das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Thrombozytenhemmung. Bis zum Alter von 75 kam es zu einer schweren Blutung pro fünf verhinderte ischämische Ereignisse. Im Alter von 75 war es eine Blutung pro drei, ab 85 sogar eine pro zwei ischämische Komplikationen.

"Unsere Daten zeigen vor allem, dass wir Blutungen bei alten Patienten rigoroser vorbeugen müssen", betonen die Studienautoren. Nach ihren Berechnungen haben über 75-Jährige in der Sekundärprävention ein so hohes Risiko für gastrointestinale Blutungen, dass eine Behandlung mit einem Protonenpumpenhemmer (PPI) indiziert ist. Ausgehend von einer Metaanalyse, wonach PPI das Risiko für Blutungen unter Plättchenhemmern um 74 Prozent senken, müssen 23 Patienten zwischen 75 und 84 bzw. 21 Patienten ab 85 einen PPI erhalten, um eine schwere gastrointestinale Blutung innerhalb von fünf Jahren zu verhindern.

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 07.07.201711:03 Uhr

ASS im Alter - rigorose Blutungsprophylaxe mit PPI?

Das steht in krassem Gegensatz zum öffentlichen Ärzte-„Bashing“ wegen angeblich zu leichtfertiger Protonenpumpen-Hemmer-Verordnung:

1. http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/magen_darm/ulkus/article/928127/saeureblocker-internisten-warnen-panikmache.html
Die Krankenkassen sehen die Entwicklung mit Sorge. "Dass immer mehr Patienten Magensäureblocker verordnet bekommen, ist weder durch steigende Erkrankungsraten noch durch demografische Faktoren zu erklären", kritisiert Barmer-Vorstandsvorsitzender Christoph Straub.
Einer Barmer-Auswertung zufolge haben Mediziner in Deutschland zuletzt 13,4 Millionen Patienten solche Medikamente verordnet.

2. http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/magen_darm/reflux_sodbrennen/article/931627/umfrage-reflux-wann-therapieren.html

3. http://www.aerztezeitung.de/medizin/fachbereiche/innere_medizin/gastroenterologie/article/932342/magensaeureblocker-schadet-unkritische-einnahme-image-wirksamen-arznei.html

4. http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/magen_darm/reflux_sodbrennen/article/937735/funktionelle-erkrankung-statt-ppi-kann-phytotherapie-angesagt.html
Sogar der Versuch, Iberogast® als angeblich gleichwertige PPI-Alternative anzupreisen, wird von der Firma BAYER® lanciert.

Warum können Medizin-bildungsferne Krankenkassen, "Gesundheits"-
Politiker, Medien und interessierte Öffentlichkeit nicht akzeptieren, dass eine PPI-Verordnung als vertragsärztliche Leistung eigentlich immer Leitlinien- und Indikations-gerecht erfolgt, um Krankheits-Verschlimmerungen, Komplikationen und Nebenwirkungen (z. B. bei Kortison-, NSAR-Therapie) zu verhindern?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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