Behinderte Mädchen sollten bei Verhütung mitentscheiden
Durch die moderne Medizin erreichen heute mehr Kinder mit chronischen Krankheiten und Behinderungen als früher das Erwachsenenalter und damit die Geschlechtsreife. Oft vernachlässigt wird die Frage nach der Sexualaufklärung und der damit verbundenen Beratung über Kontrazeption.
Die behinderten Jugendlichen sollten mitentscheiden dürfen, was für sie richtig ist, riet Dr. Birgit Delisle, niedergelassene Fachärztin für Gynäkologie und Geburtenheilkunde aus München, auf der 102. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin in Mainz. Körpermodelle oder Puppen eigneten sich als Hilfen für die Aufklärung. "Wichtig ist, daß die Mädchen etwas anlangen und be-greifen können."
Hohe Akzeptanz aus Gefühl, jetzt auch dazu zu gehören
Verhütungsmittel der ersten Wahl seien Ovulationshemmer (OH), weil sie relativ sicher und risikoarm sind und gut akzeptiert werden. Immer wieder erstaunt sei sie, wie gerne und gewissenhaft Mädchen mit Down-Syndrom die Pille einnähmen, so Delisle. Das Gefühl, "jetzt auch soweit zu sein und dazu zu gehören", sei wohl Motiv für die hohe Akzeptanz.
Je nach Grad einer geistigen Behinderung rät Delisle, andere Kontrazeptiva einzusetzen. Bei einem Intelligenzquotienten (IQ) von 79 bis 80 (Debilität) müßten Mutter oder Betreuer auf die regelmäßige Einnahme der OH achten. Bei Imbezilität (IQ 40 bis 59) empfiehlt Delisle ein De-potimplantat oder die Intrauterinspirale (IUP).
Auch bei Spina bifida sind OH die erste Wahl
Auch bei motorischen Körperbehinderungen wie Spina bifida oder Querschnittsyndrom seien OH die erste Wahl, trotz des Risikos einer Thromboembolie, meint Delisle. Durch reine Gestagenpräparate wie die "Minipille" könne das Risiko verringert werden. Von IUPs rät die Ärztin betroffenen Mädchen ab, denn durch mangelnde Schmerzsensibiltät könne eine Infektion oder Dislokation leicht übersehen werden.
Bei chronischen Erkrankungen weist Delisle auf eine mögliche eingeschränkte Wirksamkeit durch Begleitmedikamente hin. So komme eine Dosiserhöhung der OH etwa bei Einnahme von Antiepileptika, Tuberkulostatika, Antimykotika oder Schlaf- und Beruhigungsmitteln in Frage, eine Reduzierung der OH etwa bei Kortison.