HINTERGRUND

Bei der Reanimation gilt ab sofort: Zuerst 30mal das Herz massieren und dann zweimal beatmen

Von Peter Sefrin Veröffentlicht:

Die neuen Eckpunkte für die Reanimation sind jetzt vom Vorstand der Bundesärztekammer verabschiedet und damit für Deutschland verbindlich geworden. Sie basieren auf den ERC (European Resuscitation Council)-Richtlinien, die Ende letzten Jahres erarbeitet worden waren.

Der Schwerpunkt der Überarbeitung liegt in der Vereinfachung der Reanimation und dem Bemühen, so früh wie möglich mit der Herzdruckmassage zu beginnen, um Zirkulation zu initiieren und die No-flow-Zeit zu begrenzen. Gründe der Änderungen sind, daß zur Perfusion vitaler Organe der Aufbau eines Spitzendruckes und ein Blutfluß erforderlich sind. Der Fluß baut sich allerdings erst nach mehreren Kompressionen auf.

Die ABC-Regel gilt jetzt nicht mehr

Die ABC-Regel gilt bei der Basisreanimation (A: Atemwege freimachen, B: Beatmung, C: Herzmassage, D: Defibrillation) nicht mehr. Nach Kontrolle der Ansprechbarkeit und Freimachen der Atemwege, etwa durch Entfernen von Prothesen, folgt die Kontrolle der Atmung.

Erkennt man nicht sicher, daß ein Patient atmet, wird unmittelbar mit der kardiopulmonalen Reanimation (CPR) begonnen. Auf die bislang obligatorische Pulskontrolle (Arteria carotis) wird verzichtet, da es zu viel Zeit kostet. Eine Pulskontrolle erfolgt erst, wenn im EKG eine geordnete Herzaktion zu sehen ist.

Die bisherige initiale Beatmung entfällt. Zweimalige Beatmung erfolgt nun grundsätzlich erst nach der Herzmassage. Das neue Verhältnis 30 Druckmassagen zu 2 Beatmungen ist für Erwachsenen- und auch für Kinderreanimationen verbindlich. Analysen ergaben, daß bisher 40 Prozent der Zeit während einer CPR nicht für die wichtige Herzdruckmassage genutzt worden ist. Deshalb wurde die Massagefrequenz von 15 auf 30 erhöht, um einen wirkungsvollen Blutfluß zu fördern.

Um aufwendiges Suchen des Druckpunktes zu vermeiden, soll nun einfach die Mitte des Brustkorbs mit einer Frequenz von 100/min komprimiert werden. Bei der vorzuziehenden 2-Helfer-Methode soll alle 2 Minuten gewechselt werden, da der 30 : 2-Rhythmus sehr anstrengend ist. Die Pause zwischen den einzelnen Kompressionszyklen sollte so kurz wie möglich sein, mit Verkürzung der Insufflation auf eine Sekunde. So kann eine Hyperventilation und deren negative Auswirkungen auf die kardiale Auswurfleistung entgegen gewirkt werden.

Bei Beatmung orientiert sich der Helfer nur am sichtbaren Heben des Brustkorbs.

Die größten Änderungen gibt es bei der elektrischen Reanimation. Nicht nur Anwender, sondern auch Hersteller von automatischen externen Defibrillatoren (AED) sind davon betroffen. Bei einem beobachtetem Kreislaufstillstand soll sofort defibrilliert werden, bei länger als etwa fünf Minuten zurückliegendem Kollaps wird zunächst mit der Basisreanimation begonnen werden. Die dreimalige Defibrillation und die Steigerung der Defibrillations-Energie wurden verlassen.

Unterschieden wird nur noch zwischen mono- (Stromfluß zwischen den Elektroden in eine Richtung)- und biphasischer (Stromfluß zwischen den Elektroden wechselt die Richtung) Defibrillation: Bei monophasischer Defibrillation wird mit 360 J (Maximalenergie) begonnen, bei der biphasischen Defibrillation je nach Gerätetyp mit 150 bis 360 J. Neu ist auch, daß unmittelbar nach der Defibrillation - ohne Kontrolle von EKG und Puls - wieder mit der Basisreanimation (fünf Zyklen à 30 : 2) begonnen werden soll.

Grund für die direkte Aufnahme der Druckmassage ist, daß die meisten Kreislaufstillstände beim Erwachsenen kardial bedingt sind und aus der Defibrillation unmittelbar noch keine Herzfunktion mit suffizienter Auswurfleistung resultiert. Bei feinem Flimmern, sofern es erkannt wird, wird nicht defibrilliert. Damit entfällt auch der bisherige sogenannte Cross-Check (Positionswechsel der Defibrillationspaddel, um feines Kammerflimmern zu erkennen). Wegen dieser Vorgaben müssen zukünftig sprachgeführte AED-Geräte umprogrammiert werden.

Die medikamentöse Reanimation ist ebenfalls deutlich vereinfacht worden. Medikament der Wahl bleibt Adrenalin. Nach Legen eines intravenösen oder intraossären (häufig bei Kindern, etwa die Tibia) Zugangs bei Asystolie soll 1 mg Adrenalin verabreicht werden. Bei Kammerflimmern wird Adrenalin nach der zweiten erfolglosen Defibrillation verabreicht.

Erfolgt nach der dritten Defibrillation keine Konversion, werden intravenös 300 mg des Antiarrhythmikums Amiodaron als Bolus gegeben. Weitere 150 mg können bei wiederauftretendem oder schockrefraktärem Kammerflimmern gegeben werden.

Neu ist die Anwendung eines Thrombolytikums, wenn etwa bei einem Patienten Verdacht auf Lungenembolie - etwa durch deutliche obere Einflußstauung - als Ursache für die Asystolie vermutet wird. Die Thrombolyse kann im Einzelfall bei Verdacht auf eine akute thrombotische Ätiologie auch nach erfolgloser Standard-CPR gemacht werden.

Ziel sind mehr erfolgreich abgeschlossene Reanimationen

Ziel der neuen Reanimationsleitlinien ist es, die Zahl der erfolgreichen Reanimationen zu erhöhen.

Die Notwendigkeit einer Überarbeitung der bisherigen Empfehlungen resultierte daraus, daß derzeit nur 10 Prozent der Reanimationen erfolgreich verlaufen. Ein Grund hierfür ist, daß die in 80 Prozent am Notfallort anwesenden Zeugen nicht bereit und fähig sind, erste Maßnahmen zu ergreifen.



ZUR PERSON

Professor Dr. med. Peter Sefrin leitet die Sektion Präklinische Notfallmedizin der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie der Universität Würzburg. Außerdem ist er der Vorsitzender der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaft Notärzte in Deutschland (BAND) sowie Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte (AGBN).

Viele wissenschaftliche Publikationen zum Thema Notfallmedizin wurden in den letzten Jahren von ihm veröffentlicht, und er ist Mitautor des Fachbuchs "Notfallmedizin" aus dem Thieme -Verlag.

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