Bei neuem Mittel für Zappelphilippe braucht man etwas Geduld

HEIDELBERG (bd). Als wichtige weitere Option zur medikamentösen Therapie bei hyperkinetischen Störungen hat Professor Gerd Lehmkuhl aus Köln den Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmers Atomoxetin bezeichnet. Mit der neuen Substanz kommt es zu keinen Rebound-Effekten. Auch Tics und Ängste werden nicht verstärkt.

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Bei einem Satellitensymposium des Unternehmens Lilly bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) in Heidelberg hat der ADHS-Experte Daten aus drei Studien zu der neuen Substanz vorgestellt. Seit Ende vergangenen Jahres ist sie für Kinder über sechs Jahren mit ADHS in Deutschland zugelassen und seit diesem Monat als Strattera® auf dem Markt.

Den Daten zufolge sei die Substanz in der Wirkung genauso effizient wie Methylphenidat, biete aber den großen Vorteil, nicht unter das Betäubungsmittelgesetz zu fallen, sagte Lehmkuhl. Atomoxetin ist ein selektiver Hemmstoff des präsynaptischen Noradrenalin-Transporters und hat kaum eine Wirkung auf andere Neurotransmittersysteme. Es wirkt auch nicht direkt auf die Serotonin- und Dopamintransporter.

Trotz bewährter Wirkung hätten die bisherigen Medikamente ihre Grenzen, sagte Lehmkuhl. So spricht ein Teil der Kinder - etwa 15 bis 20 Prozent - nicht auf Stimulantien an, besonders bei komorbiden emotionalen Störungen wie Depressionen.

Psychische Veränderungen wie Weinerlichkeit und Ängstlichkeit oder Persönlichkeitsveränderungen führten dazu, daß die Eltern das Medikament häufig absetzten. Ein weiterer Nachteil sei der Rebound-Effekt, also eine Verschlechterung der Symptomatik bei Nachlassen der Wirkung und die Schwierigkeiten infolge der Betäubungsmittelmedikation.

Die drei vorliegenden Studien zu Atomoxetin im Vergleich mit Placebo haben nach Angaben von Lehmkuhl hochsignifikant die Kernsymptomatik wie Hyperaktivität/Impulsivität reduziert und die Aufmerksamkeit verbessert. Zudem habe sich die Lebensqualität der Kinder und die Anpassung an die sozialen Bedingungen in Familie und Schule verbessert.

Im Vergleich mit der bisherigen Standardmedikation hat eine Studie bereits vor drei Jahren auch ein günstigeres Profil unerwünschter Wirkungen bei der neuen Substanz ergeben - mit weniger Appetitlosigkeit und weniger Schlafstörungen. Auch in allen psychosozialen Subskalen wie Selbstwertgefühl, Verhalten, familiäre Aktivität sei es zu Verbesserungen im sozialen und schulischen Bereich gekommen, wie in Beurteilungen von Eltern und Lehrern belegt worden sei.

Die Wirkung halte über den ganzen Tag und bis zum nächsten Morgen an, außerdem sei kein Reboundeffekt aufgetreten, ebensowenig eine Verstärkung von Tics oder Ängsten. Es habe sich eine lineare Dosis-Wirkungsbeziehung gezeigt. Bis zum Therapieansprechen dauere es mit der neuen Substanz jedoch eine gewisse Zeit, sagte Dr. Katja Becker aus Mannheim. Der Effekt komme gleich einem Lichtdimmer verzögert: Nach ein bis zwei Wochen sei eine deutliche Symptomverbesserung festzustellen.

Die Zieldosis von Atomoxetin betrage 1,2 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Zu beginnen sei mit 0,5 mg. Blutdruck und Puls seien vorher und im Verlauf der Applikation zu kontrollieren, denn es komme unter Atomoxetin zu einer leichten Blutdruck- und Pulserhöhung. Bei Bluthochdruck, Tachykardie und kardiovaskulären Erkrankungen sollte man mit der Verabreichung vorsichtig sein.

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