HINTERGRUND

Beratung und ein Fragetest erleichtern die Sturzprophylaxe

Von Stefan Käshammer und Gabriele Wagner Veröffentlicht:

Schummriges Licht im Zimmer aus Sparsamkeit, Teppichbrücken auf Fußböden als Stolperfallen, Altersfehlsichtigkeit und ein unsicherer Gang - all das provoziert Stürze bei alten Menschen. Und weil Alte so häufig hinfallen, sind Stürze und das damit verbundene Risiko von Brüchen ein häufiges Problem - und Dauerbrenner in der Praxis und auch auf Kongressen. Aber Prophylaxe ist möglich. Hausärzte können schnell etwa mit einem Balancetest das Sturzrisiko alter Patienten ermitteln. Und Patienten und Angehörigen Tipps geben, wie sie ihre Wohnung sturzsicher machen können.

Nach Schätzungen stürzt jeder dritte der über 65-Jährigen einmal pro Jahr; bei den über 80-Jährigen ist es fast jeder zweite. Etwa fünf Prozent der Gestürzten bricht sich einen oder mehrere Knochen, besonders die Schenkelhälse. Gründe für die häufigen Stürze im Alter sind etwa Sehbehinderung oder Presbyakusis. Hindernisse werden zu spät erkannt, Betroffene können schlechter ausweichen. Und sie können Stürze schlecht abfangen, weil sie weniger beweglich sind.

Mit dem Aufstehtest können Kollegen Patienten mit erhöhtem Sturzrisiko identifizieren. Der Patient soll ohne Armeinsatz fünfmal so schnell wie möglich von einem Stuhl aufstehen. Braucht er dafür länger als zehn Sekunden, ist das Sturzrisiko erhöht.

Ein einfacher Balancetest ist der Tandemstand. Dabei steht ein Patient mindestens zehn Sekunden mit geöffneten Augen; die Füße stehen dabei auf einer Linie hintereinander. Wer die zehn Sekunden nicht schafft, hat ein erhöhtes Sturzrisiko. Die Tests sind abrechnungsfähig im EBM unter der GOÄ-Ziffer 03341 (Hausärztlich-geriatrisches Basisassessment). Ein weiterer einfacher Test ist der Tinetti-Test.

Zur Sturzprophylaxe können vor allem Hausärzte viel beitragen. Daran erinnerte Dr. Daniela Langer von der Medizinischen Hochschule Hannover jüngst beim Medica-Kongress in Düsseldorf. So könnten Kollegen etwa beim Hausbesuch die Wohnverhältnisse in Augenschein nehmen und Patienten und Angehörigen Verbesserungen vorschlagen:

  • feste Schuhe tragen,
  • Hindernisse wie dicke Teppiche oder Kabel entfernen,
  • Haltegriffe im Bad anbringen,
  • Rutschsicherung durch eine Wannenmatte,
  • Bewegungssensoren für die Lampen in Schlaf- und Badezimmer. Denn: Häufig stürzten alte Menschen nachts beim Toilettengang, weil sie, etwa um den Partner nicht zu wecken oder um Energie zu sparen, das Licht nicht anschalten, so Langer.

Studien hätten auch ergeben, dass bei Einnahme von mehr als fünf Medikamenten täglich das Sturzrisiko exponentiell steigt. Etwa Benzodiazepine, Neuroleptika und Antidepressiva sollten auf das notwendige Minimum reduziert werden, so Langer.

Das Tragen von Hüftprotektoren ist eine zusätzliche Option zur Prophylaxe von Schenkelhalsfrakturen. Doch ergab eine Studie, dass das Frakturrisiko bei über 70-jährigen Frauen dadurch nicht reduziert wird (Osteoporos Int 15, 2004, 701).

Infos zur Wohnraumberatung in Nordrhein-Westfalen unter: www.wohnberatung.nrw.de



STICHWORT

Tinetti-Test

Mit dem Tinetti-Test wird die Mobilität vor allem von alten Patienten und damit das Sturzrisiko beurteilt.

Vorgehen: In einem Balancetest werden etwa für die Stehbalance mit geschlossenen Augen und die Reaktion auf einen Stoß gegen die Brust Punkte vergeben. Genauso werden in einer Gehprobe Schrittlänge, Schritthöhe und Gangsymmetrie geprüft.

Auswertung: Maximal können die Patienten 28 Punkte erreichen.

  • Weniger als 20 Punkte: Das Sturzrisiko ist bereits signifikant erhöht.
  • Weniger als 15 Punkte: Das Sturzrisiko ist stark erhöht.

Sensitivität und Spezifität: Mit dem Test werden 70 Prozent der tatsächlich Sturzgefährdeten als gefährdet erkannt. Unter den nicht Sturzgefährdeten werden 50 Prozent als nicht gefährdet erkannt.

Der vollständige Tinetti-Fragetest kann heruntergeladen werden unter: www.geriatrie-bochum.de/assessment/

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