Erfolgsversprechend

Diabetes-Prävention im Friseurgeschäft

In Barbershops fühlen sich Männer wohl und sind unter sich. Das ließe sich für die Prävention von Krankheiten nutzen.

Prof. Dr. Stephan MartinVon Prof. Dr. Stephan Martin Veröffentlicht:
In US-Barbershops wurden bei afroamerikanischen Männern HbA1c-Schnelltests durchgeführt. Bei mehr als jedem Vierten zeigte sich ein Wert im prädiabetischen Bereich.

In US-Barbershops wurden bei afroamerikanischen Männern HbA1c-Schnelltests durchgeführt. Bei mehr als jedem Vierten zeigte sich ein Wert im prädiabetischen Bereich.

© RyanJLane / Getty Images / iStock

Barbiere haben über viele Jahrhunderte ihre Kunden auch gesundheitlich versorgt. Dies war eine Folge des Konzils von Tours im Jahr 1163. Damals hatte die Kirche nämlich Akademikern verboten, chirurgische Praktiken auszuführen. Und die Chirurgie gelangte deshalb bis ins 19. Jahrhundert in die Hände von Badern und Barbieren.

Eine Kooperation von Ärzten und Friseuren bei der medizinischen Betreuung von Menschen kann auch heute noch sinnvoll sein. Das zeigen aktuelle Studien zur Früherkennung von Volkskrankheiten wie Typ-2-Diabetes oder Bluthochdruck. Im Fokus der Studien standen afroamerikanische Männer in den USA. Diese gehen nämlich besonders selten zum Arzt.

Und deshalb wird bei ihnen im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen Typ-2-Diabetes meist erst sehr spät diagnostiziert. Viele leiden daher bereits bei der Diagnose an Folgekomplikationen. Und auch bei der arteriellen Hypertonie zeigt diese Gruppe eine deutlich schlechtere Kontrolle und weist zudem erhöhte Raten an kardiovaskulären Erkrankungen und Todesfällen auf.

Viele Männer mögen Barbershops

„Wenn der Berg nicht zum Propheten kommen will, muss der Prophet eben zum Berg gehen“ haben sich deshalb US-Wissenschaftler gedacht. Sie haben Orte gesucht, an denen sie afroamerikanische Männer ansprechen können und sind dabei in Barbershops fündig geworden. In diesen Friseursalons wird sowohl Haar- als auch Bartpflege angeboten und die Männer sind unter sich.

Vor zwei Jahren wurde eine Studie zur Diagnose und Behandlung der arteriellen Hypertonie publiziert. Dabei waren in 52 Barbershops Blutdruckmessungen angeboten worden (N Engl J Med. 2018; 378: 1291). Zuvor hatte man die Friseursalons im Rahmen einer Cluster-Randomisierung in zwei Gruppen aufgeteilt: In den Interventionsläden erhielten die Männer mit erhöhten Blutdruckwerten direkt Rezepte für Medikamente zur Blutdrucksenkung. Diese wurden ihnen von speziell trainierten Krankenschwestern in Absprache mit den behandelnden Ärzten ausgehändigt.

In den Kontrollläden wurden Männer mit hypertonen Werten nur darauf hingewiesen, sich beim Hausarzt vorzustellen, um den Blutdruck besser einzustellen. Ergebnis: Nach sechs Monaten kam es in der Interventionsgruppe zu einer signifikanten Blutdruck-Reduktion und der Anteil der Männer mit gut eingestelltem Blutdruck war signifikant höher als in der Kontrollgruppe.

Friseure als Gesundheitsmanager

Diese Studie hat sich nun eine andere Forschergruppe zum Vorbild genommen, um bei afroamerikanischen Männern gegen die hohen Raten an unerkanntem Diabetes vorzugehen (JAMA Intern Med. 2020; e196867). Binnen vier Monaten wurden dabei im New Yorker Stadtteil Brooklyn 895 Männer in Barbershops angesprochen und bei 290 von ihnen erfolgreich HbA1c-Schnelltests durchgeführt.

Von den getesteten Personen hatten neun Prozent einen unerkannten Diabetes und 28 Prozent einen HbA1c im prädiabetischen Bereich. Die Männer mit unerkanntem Diabetes waren im Median 41 Jahre alt und 62 Prozent von ihnen waren adipös.

Die Hälfte der Männer, die trotz der Ansprache an der Studie nicht teilnehmen wollten, wähnte sich gesund, oder hatte keine Zeit dafür, die anderen gaben keine Gründe dafür an.

Fragen Sie Ihren Arzt oder Friseur...

Bei Gesundheitsfragen wird in der Regel immer auf den Arzt oder Apotheker verwiesen. Friseure scheinen in dieser Hinsicht aber in bestimmten Bevölkerungsgruppen immer noch ein hohes Vertrauen zu genießen. Männer scheinen sich zudem in Barbershops besonders wohlzufühlen.

Die Studien könnten daher eine Anregung dafür sein, Friseure zu Gesundheitsmanagern für Präventionskampagnen zu Diabetes und Hypertonie fortzubilden. Dann könnte es bald vielleicht heißen: Fragen Sie Ihren Arzt oder Friseur …

Professor Stephan Martin ist Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums (WDGZ) in Düsseldorf.

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