Die Medizin-Nobelpreisträger 2009 sind dem Geheimnis des Alterns auf der Spur

Die drei Medizin-Nobelpreisträger 2009 haben entdeckt, warum die meisten Zellen nach vielen Teilungen sterben, Krebszellen dagegen sich ungehindert vermehren. Die Entdeckung ist Basis für neue Medikamente.

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Von Peter Leiner

Im vergangenen Jahr erst haben Professor Elizabeth Blackburn aus San Francisco und Professor Carol Greider aus Baltimore den Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis erhalten. Damals wurde dies von Professor Reinhard Kurth, dem ehemaligen Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, als Hinweis gewertet, dass Blackburn und Greider zum Kreis möglicher Nobelpreis-Kandidaten gehören könnten.

Tatsächlich hat sich gestern das Nobelpreiskomitee für die beiden Wissenschaftlerinnen entschieden. Für die Klärung der Frage, wie es Chromosomen gelingt, sich regelrecht zu teilen und wie Chromosomen vor dem Abbau geschützt werden, sind sie gemeinsam mit Professor Jack W. Szostak aus Boston mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin 2009 ausgezeichnet worden.

Im Mittelpunkt ihrer Forschung in den vergangenen drei Dekaden standen die Telomere. So werden die Enden der Chromosomen bezeichnet. Den Begriff Telomer prägte der US-Genetiker Herrmann J. Muller bereits 1938. Das war zu einer Zeit, als Forscher noch die chromosomalen Eiweißmoleküle statt die Desoxyribonukleinsäure für die eigentlichen Erbträger hielten. Telomeren schützen die Chromosomen davor, abgebaut zu werden. Denn bei jeder Teilung einer gesunden Zelle werden die Telomere ein wenig gekürzt. Ab einer bestimmten Länge teilt sich die Zelle nicht mehr oder sie stirbt sogar. Blackburn und Greider haben 1984 ein Enzym entdeckt, die Telomerase, die in der Lage ist, diese Verkürzung der Telomeren zu unterbinden. Ihre Funktion in der Zelle: Nach der Zellteilung fügt sie an die Chromosomen-Enden DNA-Bausteine an und verlängert so die Telomere wieder. Letztlich wirkt die Telomerase der Alterung von Zellen entgegen.

Das Enzym besteht aus einem Eiweißmolekül und einem kurzen RNA-Strang, der dem Enzym gewissermaßen als Startpunkt für die Chromosomenverlängerung dient. Der gebürtige Brite Szostak entdeckte gemeinsam mit Blackburn eine einzigartige DNA-Sequenz in den Telomeren, die vor dem Abbau schützt.

Noch nachweisbare Mengen dieses Enzyms finden sich im menschlichen Körper ausschließlich in jenen Zellen, die sich ständig erneuern müssen. Dazu gehören zum Beispiel Haut- und Schleimhautzellen, aber vor allem auch Krebszellen. Das Wachstum von Tumoren wird durch das Enzym dadurch gefördert, dass das Altern der Zellen verhindert und dem natürlichen Absterben der Zellen entgegen gesteuert wird.

Krebszellen enthalten meist Telomerasen mit erhöhter Aktivität. Kein Wunder, dass Wissenschaftler, die neuartige Krebsmittel entwickeln, ihre Forschung auf das Enzym fokussieren. Mit kurzen Nukleinsäure-Molekülen etwa versuchen sie, das Enzym zu hemmen und die Lebenszeit der Zellen dadurch zu verkürzen.

Blackburn hat mit Greider - damals noch Doktorandin bei ihr - Anfang der 1980er Jahre das Enzym in einzelligen Wimperntierchen der Gattung Tetrahymena entdeckt. In der Folge gelang es Blackburn, die Telomerase genetisch und biochemisch in verschiedenen Tierarten zu charakterisieren. Greider hat vor allem die Konsequenzen einer Fehlfunktion von Telomeren und Telomerase für die Erbsubstanz, die Stabilität des Genoms in der Zelle und für den Organismus erforscht.

Die Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin 2009

Professor Elizabeth H. Blackburn ist 1948 in Tasmanien geboren und hat an der Universität Melbourne Biologie studiert. Sie wurde an der Universität Cambridge in Großbritannien promoviert. Seit 1990 forscht und lehrt sie am Institut für Mikrobiologie und Immunologie der Universität von Kalifornien in San Francisco.

Professor Carol Greider ist 1961 in San Diego geboren und studierte Biologie in Santa Barbara. Sie promovierte bei Blackburn in Berkeley und entdeckte in Zusammenarbeit mit ihr die Telomerase. Seit 1993 ist Greider Direktorin der Abteilung für Molekularbiologie und Genetik an der Johns Hopkins University in Baltimore.

Professor Jack Szostak ist 1951 in London geboren. Der Wissenschaftler studierte an der McGill- Universität in Montreal und der Cornell-Universität in Ithaca (US-Staat New York). Er promovierte 1977. Seit 1979 forscht er an der Harvard Medical School. Er ist Professor für Genetik am Massachusetts General Hospital in Boston.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Menschen, wollt ihr ewig leben?

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