"Die Unachtsamkeit ist unser größter Feind"

Von Kathrin Zeilmann Veröffentlicht:

Die Bilder vom Bürgerkrieg in Angola sind Martin Auracher nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Der Ingenieur und Rettungsassistent aus München begleitete 1994 und 1995 die Hilfsorganisation Cap Anamur ins Krisengebiet, wo Millionen Landminen eine große Gefahr für die Bevölkerung darstellten: Es gab Verletzte, Tote und Kinder, denen Körperteile zerfetzt wurden, weil sie in vermintem Gebiet gespielt hatten.

Die 1997 gestorbene britische Prinzessin Diana hatte mit ihren Hilfsaktionen auf das Schicksal von Landminen-Opfern aufmerksam gemacht. Sie hatte damals das gleiche Ziel, das auch Martin Auracher und seine Organisation Demira (Deutsche Minenräumer e.V.) verfolgen: die Welt frei von tödlichen Landminen zu machen. Kürzlich hat Demira mit einem Festakt in der Münchner Residenz den 10. Jahrestag seiner Gründung gefeiert. München ist Hauptsitz der Organisation.

Erfahrungen in Angola waren Initialzündung

"Nach dem Aufenthalt in Angola hatten wir die Idee und den Plan, unsere Arbeit fortzusetzen und in Krisengebieten Minen zu räumen", sagt der 37jährige Auracher. Die Experten von Demira sind an vielen Brennpunkten der Welt aktiv, vor allem in Afrika und im ehemaligen Jugoslawien.

Bevor die Minenräumer anrücken können, ist ein bürokratisches Vorspiel notwendig: EU, Auswärtiges Amt oder auch einzelne Länder schreiben Einsätze für Minenräumungen aus, auf die sich dann Expertengruppen bewerben können und ein Budget bewilligt bekommen. Ohne Spenden geht es aber trotzdem nicht, betont Auracher: "Die öffentlichen Stellen wie Regierungen oder die EU zahlen bestenfalls 80 Prozent der Einsatzkosten."

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes hat die Bundesregierung seit 1992 etwa 154 Millionen Euro für den Kampf gegen Landminen zur Verfügung gestellt. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, daß es derzeit noch etwa 110 Millionen Landminen in mehr als 70 Ländern gibt. Nach Expertenschätzung werden jedes Jahr 15 000 bis 20 000 Menschen bei Minenexplosionen verletzt oder getötet, jedes fünfte Opfer ist ein Kind.

Minen zu orten und zu entschärfen sei kein einfacher Job, räumt der Demira-Chef ein. Aber: "Die Gefahr ist kalkulierbar, es ist sicher kein Harakiri-Unternehmen. Der Laie stellt es sich gefährlicher vor, als es ist." Es dürfe sich eben keine Routine einschleichen, und man müsse stets konzentriert sein. "Die Unachtsamkeit ist unser größter Feind."

    Organisation leistete auch nach dem Tsunami in Asien Hilfe.
   

In Sechser-Gruppen oder mit speziell ausgebildeten Hunden an der Seite wagen sich die Experten auf vermintes Terrain. Zuvor werden Landkarten und Pläne von Regierung und Militär studiert, um einen ersten Überblick zu erhalten. Auch das Gespräch mit der örtlichen Bevölkerung wird gesucht, die oft weiß, welche Gebiete vermint sind. Mit der Minen-Räumung sei es aber nicht getan, betont Auracher. "Die Nachbereitung ist ein ganz wichtiger Punkt geworden."

Sein Team hilft den Menschen, die von Minen befreiten Felder wieder für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. Straßen können wieder gebaut und eine Wasserversorgung angelegt werden. Längst ist Demira auch als Hilfsorganisation in vielen Krisenregionen und Katastrophengebieten der Welt aktiv. Beim Erdbeben in Pakistan und bei der Tsunami-Katastrophe in Asien arbeitete ein Team in der medizinischen Notfallversorgung und half beim Wiederaufbau.

Gefahr durch Streubomben fast größer als die durch Landminen

Aktuellstes Projekt für Demira ist ein möglicher Einsatz in Nahost. Im Libanon und in den Palästinenser-Gebieten sei die Gefahr für die Bevölkerung durch nicht explodierte Munition und Streubomben sehr groß, sagt Auracher. "Hier würden wir gerne etwas tun, da Blindgänger extrem gefährlich sind - fast noch gefährlicher als Landminen." Momentan ist die Lage jedoch zu brenzlig. (dpa)

Weitere Informationen finden Sie im Internet: www.demira.org

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