Kinderarbeit

Die bittere Seite der Schokolade

Die meiste in Deutschland verkaufte Schokolade kommt aus Westafrika. Dort arbeiten immer mehr Kinder in den Kakaoplantagen. Das schadet dem Image der Schokohersteller.

Von Jürgen Bätz Veröffentlicht:
Rund zwei Millionen Kinder arbeiten allein in der Elfenbeinküste und in Ghana im Kakaoanbau.

Rund zwei Millionen Kinder arbeiten allein in der Elfenbeinküste und in Ghana im Kakaoanbau.

© andriigorulko / Fotolia

KONAN YAOKRO. Morgens und abends musste die neunjährige Moahé Wasserbehälter vom Dorfbrunnen nach Hause schleppen, die schwerer waren als sie selbst. Das zierliche Mädchen war bis vor kurzem eines von rund zwei Millionen Kindern, die in der Elfenbeinküste und in Ghana im Kakaoanbau arbeiten, damit Kunden in Deutschland und anderswo ihre Schokolade genießen können.

"Ich wusste ja nicht, dass die Arbeit etwas Schlechtes ist. Für mich war es normal", sagt Moahé entschuldigend. Doch wo Kinderarbeit anfängt, endet meist die Kindheit: Sie gefährdet die Gesundheit und schlägt sich negativ auf die Schulbildung durch. Doch wegen einer Mischung aus Unwissen, Tradition und Armut hält sich die Kinderarbeit in den Dörfern Westafrikas. Von hier kommt rund zwei Drittel des weltweit produzierten Kakaos, der dann von Firmen wie Mars, Hershey, Nestlé, Lindt & Sprüngli, Ferrero und anderen verarbeitet wird.

Zehn Kilo Schokolade pro Kopf

Und nirgends auf der Welt wird so viel Schokolade verzehrt wie in der Schweiz und in Deutschland: Jedes Jahr rund zehn Kilogramm pro Kopf. Allein in Deutschland wurden in diesem Jahr rund 143 Millionen Schokoladen-Nikoläuse und Weihnachtsmänner hergestellt, wie der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie mitteilte. Der meiste Kakao dafür wird aus der Elfenbeinküste und Ghana importiert.

Die Anzahl der Jungen und Mädchen, die auf Kakaoplantagen arbeiten, wird indes immer größer. In der Elfenbeinküste ist deren Zahl zwischen 2009 und 2014 um rund 50 Prozent auf 1,2 Millionen Kinder gestiegen, wie eine Studie der Tulane Universität in New Orleans im Auftrag des US-Arbeitsministeriums herausfand. In Ghana ging die Zahl im gleichen Zeitraum leicht auf 0,9 Millionen Kinderarbeiter zurück.

Kinderarbeit eigentlich verboten

Kinderarbeit ist in der Elfenbeinküste eigentlich verboten: Das Tragen schwerer Lasten, etwa von Kakaosäcken, das Sprühen giftiger Chemikalien wie Insektizide oder die Handhabung von Macheten zum Unkrautjäten oder Aufschlagen der Kakaofrüchte widersprechen dem Gesetz. Leichte Arbeiten sind aber weiter erlaubt.

Eine der Organisationen, die vor Ort gegen Kinderarbeit kämpfen, ist die Internationale Kakaoinitiative (ICI). Im Auftrag von Nestlé hat sie ein System entwickelt, das in Konan Yaokro und knapp 2700 weiteren Dörfern erfolgreich Kinderarbeit verhindert. Der Dreh- und Angelpunkt des Systems sind in den Dörfern verankerte Mitarbeiter wie Serge Alain Affian. Der 30-jährige Kakaobauer hat in Konan Yaokro jeden Haushalt besucht, um zu sehen, wie viele Menschen unter einem Dach leben, was sie machen und ob alle Kinder zur Schule gehen. Alle Daten seiner Gespräche sowie über die Besuche der Plantagen werden von ihm penibel in einer Smartphone-App erfasst und an ICI geschickt.

"Ein Kind muss beschützt werden und gehört in die Schule", sagt Affian. Er erklärt Bewohnern, wieso Kinderarbeit schlecht ist. ICI hat im Land bereits vielen früheren Kinderarbeitern wie Moahé geholfen. Zudem wurden rund 1400 Klassenzimmer renoviert oder neugebaut. Die Organisation kann auch bei der Bezahlung der Schulgebühren helfen. Um zu verhindern, dass Kleinkinder mit auf die Felder genommen werden, hat ICI auch Kindergärten eingerichtet.

Der Kakao aus Konan Yaokro etwa geht über eine Kooperative im nahen N'Douci an den US-Rohstoffhändler Cargill, dieser verkauft den Kakao an Nestlé. Der Lebensmittelkonzern kauft über das System mit ICI nach eigenen Angaben jährlich rund 47.000 Tonnen Kakaobohnen – etwa elf Prozent des pro Jahr weltweit von Nestlé gekauften Kakaos.

"In unserer Lieferkette darf es keine Kinderarbeit geben", sagt der zuständige Nestlé-Manager, Yann Wyss. Nun müsse das 2012 mit ICI begonnene System so ausgeweitet werden, dass aller angekaufter Kakao ohne Kinderarbeit hergestellt werde: "Das Problem gibt es in unserer Lieferkette und wir nehmen es sehr ernst." (dpa)

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