EHEC-Fahndung: "Hier ist die Mikrobiologie gescheitert"

Damit die Nephrologen die HUS-Erkrankung durch EHEC besser verstehen, arbeiten Mikrobiologen und Pathologen auf Hochtouren. Doch über vieles rätseln sie noch.

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BERLIN (nös). "Hier ist die Mikrobiologie gescheitert." Der Kommentar eines Teilnehmers des HUS-Symposiums der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie ist deutlich: Obwohl die Epidemiologen in der Lage waren, Bockshornkleesamen als Vehikel für den EHEC-Serotyp O104:H4 auszumachen, gibt es bislang keinen einzigen mikrobiologischen Nachweis.

Professor Gérard Krause vom Robert Koch-Institut nannte die Sprossensamen schließlich auch "Tarnkappen-Vehikel".

Zwei Hypothesen, woher der Erreger kam

Auch der Münsteraner EHEC-Experte Professor Helge Karch sieht Grenzen erreicht. Auf die Frage, woher der Erreger kam, der seit 2001 bekannt ist, blieb ihm nur die Antwort: "Ich weiß es nicht."

Diskutiert werden zwei Hypothesen: die Transduktion über Phagen und einen noch unbekannten Urahnen. Doch beide Ansätze könnten derzeit nicht abschließend geklärt werden.

Karch hatte den Sequenztyp des Ausbruchsstamms drei Tage nach der ersten Fallmeldung bestimmt (ST 678). An seinem Institut forscht er an einer weltweit einmaligen Sammlung von HUS-assoziierten EHEC-Stämmen, die er kurz HUSEC nennt.

Von dem derzeitigen Erregerstamm HUSEC041 hat er bisher 16 Genome vollständig entziffert. Ein besonderes Merkmal ist der große Anteil von Genen aus enteroaggregativen E.coli (EAEC).

Forscher wollten Erreger EAHEC taufen

Forscher aus Hannover wollten den Erreger deswegen EAHEC nennen. Karch widerspricht: Zehn Prozent seiner HUSEC-Kollektion seien EAEC: "Das sind alles Hybriden." Entscheidend ist für ihn die Produktion von Shiga Toxin, die für EHEC maßgeblich sei.

Von den EAEC hat der derzeitige Ausbruchsstamm neben dem ESBL-Plasmid CTX-M-15 auch spezielle Adhärenzeigenschaften erhalten.

Das für EHEC-typische eae-Gen, das das Protein Intimin kodiert, hat er verloren. Hinzugewonnen hat er hingegen das iha-Gen und aggA für AAF/I-Fimbrien. Beide ermöglichen eine ganz besonders hohe Adhärenz und könnten die hohe Pathogenität erklären.

Toxin wird erst bei Tod der Zelle frei

Die Bakterien bilden um die Endothelzellen eine Art Mauer. Dadurch verlängert sich zwar die Inkubationszeit gegenüber anderen EHEC deutlich auf acht Tage. Allerdings kommt es durch die Koloniegröße schließlich zu einer massenhaften Toxinfreisetzung.

Das Toxin wird erst beim Tod der Zelle frei. Einen Transportmechanismus aus der lebenden Zelle hat Karch nicht entdeckt.

Für den renommierten Hamburger Pathologen Professor Udo Helmchen deckt sich die Aggressivität des Erregers mit seinen histologischen Befunden aus bislang 14 ausführlich untersuchten Biopsaten. Bei 60 Prozent konnte er einen schweren Befund in den Glomeruli zeigen.

In allen 14 Fällen zeigte sich eine glomerulöse Endotheliose, meist mit schweren tubulo-intestinalen Schäden. Vor allem die proximalen Tubuli hatten schwere Defekte. Pathologisch war vor allem eine "mantelförmige Anreicherung" von Gliazellen um die Kapillargefäße.

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