Einfacher Algorithmus deckt das Thrombose-Risiko auf

BERLIN (gvg). Um zu entscheiden, welche internistischen Patienten eine medikamentöse Thrombose-Prophylaxe benötigen, gibt es komplizierte Modelle zur Risikoabschätzung. Für den Alltag empfehlen Thrombose-Spezialisten aber eher ein einfaches Vorgehen, das sich an einem US-amerikanischen Computer-Programm orientiert.

Veröffentlicht:

"Die meisten Risikoschemata für die Abschätzung der Thrombosegefahr bei internistischen Patienten sind viel zu komplex", sagte Dr. Jürgen Koscielny vom Institut für Transfusionsmedizin der Virchow-Klinik an der Charité Berlin. Auf einer von Novartis unterstützten Veranstaltung plädierte er deswegen für einen klinisch validierten Punktescore, der es dem Arzt mit wenigen anamnestischen Fragen erlaubt, das Thromboserisiko abzuschätzen.

Dabei gibt es jeweils drei Punkte, wenn der Patient an einem bösartigen Tumor leidet, wenn eine Thrombophilie bekannt ist oder wenn in der Anamnese über eine Thrombose oder Lungenembolie berichtet wird. Werden Hormonpräparate eingenommen, ist der Patient bereits über 70 Jahre alt, ist er übergewichtig oder lag er im Vierteljahr vor der Aufnahme mindestens drei Tage durchgehend im Bett, gibt es je einen Punkt. Bei chirurgischen Patienten kommen dann noch zwei Punkte für eine Operation von über einer Stunde hinzu. Jeder Patient mit vier oder mehr Punkten erhält eine medikamentöse Thrombose-Prophylaxe.

An der Harvard-Medical-School arbeitet eine Computer-Software nach diesem einfachen Algorithmus. Jeder neu aufgenommene Patient erhält anhand der in der elektronischen Patientenakte der Klinik niedergelegten Anamnese eine entsprechende Empfehlung für oder gegen eine prophylaktische Therapie mit niedermolekularen Heparinen. Nach der Einführung wurde das Programm anhand von 2500 Patienten prospektiv evaluiert. Bei der Hälfte war die Software eingeschaltet, bei der anderen Hälfte nicht.

Es zeigte sich, dass sich die Rate an venösen Thrombosen oder Lungenembolien innerhalb von 90 Tagen nach Aufnahme durch Einsatz der Software deutlich reduzieren ließ. Die Ereignisrate in der Interventionsgruppe lag um signifikant 41 Prozent unter der in der Kontrollgruppe. "Auch in Deutschland sollten die internistischen Patienten als Risikokollektiv für Thrombosen ernst genommen werden", so Koscielny.



STICHWORT

Venenthrombosen

Bei 98 Prozent aller Venenthrombosen handelt es sich um tiefe Venenthrombosen (TVT) im Bein oder Beckenbereich. Die Inzidenz der TVT beträgt bis zu zwei Erkrankungen pro 1000 Einwohner pro Jahr. Etwa 80 Prozent aller tiefen Venenthrombosen verlaufen klinisch stumm. Die zunehmende Inzidenz der venösen Thromboembolien (VTE) mit dem Alter hängt vermutlich mit dem Anstieg der Risikofaktoren für VTE bei älteren Menschen zusammen - wie Myokardinfarkt und Malignome. (ikr)

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Möglicher Risikofaktor

Bei akuter Entzündung mehr Stentthrombosen nach PCI

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zum Pankreaskarzinom aktualisiert

Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen