Viraler Risikofaktor

Erst Herpes zoster, dann Hirnschlag

Werden Varizella-zoster-Viren reaktiviert, steigt das Schlaganfall-Risiko vorübergehend. Besonders gefährdet sind Patienten mit befallenem Trigeminus-Nerv.

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Superinfizierter Herpes zoster im Gesicht: Die Schlaganfallhäufigkeit steigt unmittelbar nach einer Reaktivierung des latenten Virus.

Superinfizierter Herpes zoster im Gesicht: Die Schlaganfallhäufigkeit steigt unmittelbar nach einer Reaktivierung des latenten Virus.

© Arteria Photography

LONDON. Hinweise auf ein erhöhtes Schlaganfallrisiko bei Zoster-Patienten gibt es schon länger. Da sie aber aus epidemiologischen Studien stammen, lässt sich nicht ausschließen, dass Unterschiede zwischen den Patienten mit und ohne Zoster, unabhängig von der Infektion, dafür verantwortlich sind.

Ärzte der London School of Hygiene and Tropical Medicine haben den Zusammenhang daher jetzt erneut überprüft - mit einer Methode, bei der jeder Patient seine eigene Kontrolle darstellt (Clin Infect Dis. 2014;58(11):1497-1503).

Dazu extrahierten sie aus dem größten britischen Patientenregister, der Clinical Practice Research Datalink, die Daten aller Patienten (n = 6484), bei denen zwischen 1987 und 2012 sowohl ein erster Zoster als auch ein erster Schlaganfall diagnostiziert worden war.

Dann verglichen sie die Schlaganfallinzidenz in den ersten sechs Monaten nach dem Zoster jeweils mit der Rate davor und danach, im Median über einen Zeitraum von zwölf Jahren.

Zoster ophthalmicus: Risiko dreifach

Im Ergebnis zeigte sich ein signifikanter Anstieg der altersbereinigten Schlagfallhäufigkeit unmittelbar nach einem Zoster: um 63 Prozent in den Wochen 1-4, um 42 Prozent in den Wochen 5-12 und um 23 Prozent in den Wochen 13-26.

Nach sechs Monaten hatte die Insultrate wieder das Ausgangsniveau erreicht. Besonders deutlich war die Assoziation bei den 45 Prozent der Patienten, die keine systemische antivirale Therapie erhalten hatten.

Bei ihnen war die Schlaganfallinzidenz in den ersten vier Wochen mehr als verdoppelt. Patienten mit virustatischer Behandlung hatten dagegen nur in den Wochen 5-12 ein erhöhtes Risiko (um 28 Prozent).

Die höchste Schlaganfallquote fand sich bei Patienten mit Zoster ophthalmicus; in den Wochen 5-12 war sie dreieinhalbmal so hoch wie in der "unbelasteten" Zeit. Ischämische und hämorrhagische Schlaganfälle wurden, so das Register, durch einen Zoster im selben Maße angeheizt.

Insultprävention mit Virustatika?

Die Studienautoren um Sinéad M. Langan führen den Anstieg der Schlaganfallrate vor allem auf zwei Faktoren zurück: die systemische Entzündung, welche das Aufplatzen von atheromatösen Plaques provozieren kann, und die VZV-Vaskulitis.

"Für eine Rolle der VZV-Vaskulitis spricht die besonders enge Assoziation von Zoster im Trigeminusnerv mit der Entwicklung von Schlaganfällen", so Langan und ihre Kollegen.

Nach Ansicht der Londoner Ärzte ließe sich das zosterbedingte Insultrisiko senken: "Die relativ niedrige Verordnungsrate von antiviralen Therapien muss erhöht werden; unsere Daten legen nahe, dass die Schlaganfallrate dann zurückgeht."

Auch der Zoster-Impfstoff zur Verhinderung von Gürtelrose und Postherpes-Neuralgie könnte vor Schlaganfall schützen. (BS)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 03.06.201409:37 Uhr

Medizin als Lehre "von der Widerstandskraft des Menschen"?

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Zwischen 1987 und 2012 wurden in Groß-Britannien laut größtem britischen Patientenregister ("Clinical Practice Research Datalink") nur 55 Prozent aller Patienten, bei denen in Klinik und Praxis eine klinisch relevante und manifeste Varizella-zoster-Virus-Infektion diagnostiziert wurde, mit entsprechender systemischer antiviraler Therapie (Aciclovir, Brivudin/Zostex® u. a.) therapiert.

45 Prozent der Patienten blieben u n b e h a n d e l t und erhielten keine systemische antivirale Therapie. Das ist m. E. eine ebenso dramatische wie problematische Erkenntnis aus der oben referierten Studie (Clin Infect Dis. 2014;58(11):1497-1503). Dass damit in knapp der Hälfte aller betroffenen Patienten z. T. massive Komplikationen wie postzosterische Neuritis, neuralgiforme Schmerzen und oft therapieresistente, chronische Schmerzsyndrome provoziert wurden, wird von den Forschern/-innen der London School of Hygiene and Tropical Medicine nicht ausreichend problematisiert.

Von daher könnte das gehäufte Auftreten von Schlaganfällen mit primärem „Undertreatment“ bei Zoster-Krankheiten auch mit generellen Versorgungsdefiziten des Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) in GB zusammenhängen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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