Sexuelle Übertragung
Experten fordern: Europa sollte sich besser auf Zika vorbereiten
Eine großflächige Ausbreitung von Zika-Viren in Europa ist zwar wenig wahrscheinlich, doch eingeschleppte Fälle und eine sexuelle Übertragung könnten auch hier zum Problem werden.t
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In über 60 Ländern wurde das Zika-Virus bereits nachgewiesen. Besonders betroffen: Lateinamerika.
© Antonio Lacerda / dpa / picture alliance
KOPENHAGEN.Das Zika-Virus breitet sich immer stärker in tropischen und subtropischen Regionen aus, inzwischen berichten 60 Länder von einer anhaltenden Übertragung der Infektion durch Mücken.
"Längst globale Dimension"
"Die Zika-Epidemie hat längst globale Dimensionen erreicht", erläuterte Professor Raad Shakir, Präsident des Weltneurologenverbands WFN, auf dem europäischen Neurologenkongress in Kopenhagen. "Und Europa wird davon nicht verschont werden", sagte der Neurologe auf einer Pressekonferenz.
Zehn Länder, darunter auch Deutschland, melden Transfers von Mensch zu Mensch - hier wird vor allem eine sexuelle Übertragung eingeschleppter Viren vermutet. So kann das Virus mehrere Wochen, vermutlich sogar Monate, im Sperma persistieren.
Auch für Erwachsene problematisch
Shakir warnte davor, die Erkrankung zu verharmlosen. "Viele Menschen glauben noch immer, Zika sei nur ein Problem für Ungeborene. Das Virus kann jedoch auch bei Erwachsenen schwere neurologische Komplikationen wie Guillain-Barré-Syndrom (GBS), Myelitis oder Meningoenzephalitis auslösen."
Der Neurologe wies darauf hin, dass eine Zikavirus-Infektion das Risiko für eine GBS um etwa das 60-Fache erhöht.In 13 Ländern wurden mittlerweile erhöhte GBS-Inzidenzen oder GBS-Fälle nach Zika-Erkrankungen festgestellt.
Mücken auf Madeira und in Südeuropa
Europa habe zwar gute Karten, die Herausforderung zu bewältigen, erläuterte Professor John England, Vorsitzender der Zika-Arbeitsgruppe der WFN. So könnten Zika-Patienten mit ZNS-Komplikationen von der guten neurologische Versorgung profitieren.
Jedoch bestehe eine, wenn auch eher geringe Gefahr, dass sich das Virus in der Mückenpopulation in Südeuropa ausbreitet.
Es gebe einige Populationen der Gelbfiebermücke Aedes aegyptii auf Madeira oder am Schwarzen Meer. Dieses Insekt gilt als Hauptvektor für Zika. Allerdings könnte sich das Virus auch die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) als Transportvehikel aneigne - sie ist weit häufiger in Südeuropa zu finden.
Die meisten Zikafälle dürften in den kommenden Monaten allerdings von Reisenden nach Europa eingeschleppt werden. England verwies auf die WHO-Warnung, wonach Schwangere Gebiete mit Zikaverbreitung unbedingt meiden sollten. Dazu zählt auch das diesjährige Olympialand Brasilien.
Urlaubsheimkehrer: Acht Wochen nicht ohne Kondom
Der Experte sagte, dass rund jede dritte an Zika erkrankte Schwangere Kinder mit neurologischen Schäden zur Welt bringe.
Männer sollten nach der Rückkehr aus Zikagebieten mindestens acht Wochen auf Sex verzichten oder Kondome benutzen, um eine Übertragung zu vermeiden.
Mit Blick auf die olympischen Spiele in Brasilien verwies England auf die WHO-Empfehlungen, wonach Athleten und Besucher der Spiele sich gut vor Mückenstichen schützen sollten, indem sie Repellenzien benutzen, adäquate Kleidung tragen und klimatisierte Unterkünfte bevorzugen.
Gefahr für Afrika
Weshalb das schon vor 80 Jahren entdeckte Zikavirus plötzlich neurologische Komplikationen verursacht, ist noch weitgehend unklar. "Es ist wohl durch eine Mutation neurotrop geworden und kann dadurch ins Gehirn der Feten gelangen."
Das Virus befalle und töte dort vor allem neuronale Vorläuferzellen. Bekannte antivirale Mittel könnten nichts dagegen ausrichten, erläuterte Shakir.
In 8 von 10 Fällen ohne Symptome
Ein Rätsel ist ebenfalls, weshalb manche Menschen an Zika erkranken, wohingegen die Infektion bei rund 80 % asymptomatisch verläuft. Shakir gab zu bedenken, dass viele der Betroffenen unter schlechten hygienischen Bedingungen leben, sodass multiple Infekte leicht möglich sind.
Vielleicht bahnen andere Erreger den Weg für eine Zika-Infektion. Shakir befürchtet daher erhebliche Probleme, sollte der neurotrope Zikastamm von Süd- und Mittelamerika nach Afrika gelangen. Ohne ausreichende medizinische Versorgung sei es dort für viele Familien eine erhebliche Belastung, schwer behinderte Kinder zu versorgen.