Interview zum Welt-COPD-Tag

Frühe Therapie hält COPD-Kranke länger fit

Die Prävalenz der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) nimmt in Deutschland weiter zu. "Eine frühe Diagnose und Therapie lohnen sich", sagte Professor Heinrich Worth aus Anlass des Welt-COPD-Tages zur "Ärzte Zeitung". So lässt sich die Progression in stark beeinträchtigende Krankheitsstadien verlangsamen.

Mit Hilfe der Spirometrie lässt sich eine COPD früh erkennen.

Mit Hilfe der Spirometrie lässt sich eine COPD früh erkennen.

© Klaro

Ärzte Zeitung: Die COPD ist keine seltene Erkrankung. Und sie ist nicht harmlos: Jeder vierte atemwegsbedingte Todesfall in Deutschland geht mittlerweile auf das Konto der COPD. Wie sind die Prognosen für die Zukunft?

Professor Heinrich Worth: Neueste Zahlen zur Entwicklung der COPD in Deutschland stammen aus dem Institut für Gesundheitssystemforschung in Kiel. Danach wird die Zahl der COPD-Erkrankungen in den nächsten Jahren weiter steigen. Für dieses Jahr wird in Deutschland mit einer Prävalenz von 6,8 Millionen COPD-Erkrankungen gerechnet und für das Jahr 2030 mit 7,9 Millionen.

Ärzte Zeitung: Die COPD ist eine progrediente Erkrankung, die sich bisher nicht heilen und auch nicht stoppen lässt. Macht die Früherkennung also überhaupt Sinn?

Worth: Ich denke schon. Wird die COPD früh diagnostiziert und entsprechend früh behandelt, lässt sich die Progression der Erkrankung verzögern. Und die Patienten kommen nicht so schnell in fortgeschrittene, stark beeinträchtigende Krankheitsstadien, in denen sie etwa eine Langzeit-Sauerstofftherapie benötigen.

Ärzte Zeitung: Wie lassen sich COPD-Patienten in der täglichen Praxis am besten erkennen?

Worth: Ein Problem ist, dass die Betroffenen aufgrund der meist unspezifischen Beschwerden zunächst nicht zum Arzt gehen. Patienten etwa, die rauchen, sagen sich häufig, der Husten gehört zum Rauchen dazu. Und die Luftnot bei Belastung wird oft auf das Alter zurückgeführt. Die meisten COPD-Kranken suchen daher erst sehr spät einen Arzt auf. Um der Krankheit dennoch früh auf die Spur zu kommen, rate ich, allen Praxisbesuchern, die älter als 40 Jahre sind, seit mehr als sechs Wochen husten und aktive oder ehemalige Raucher sind, eine Lungenfunktionsprüfung anzubieten.

Ärzte Zeitung: Genügt hier die einfache Spirometrie, wie sie beim Gesundheitscheck stattfindet?

Worth: Ja, man misst zwei Werte, die Einsekundenkapazität, also das nach möglichst tiefem Einatmen innerhalb einer Sekunde wieder ausgeatmete Lungenvolumen. Und man misst die Vitalkapazität, also das Lungenvolumen, das man zwischen tiefster Ausatmung und nachfolgender tiefster Einatmung in die Lunge hineinbringt.

Ärzte Zeitung: Wann liegt eine COPD vor?

Worth: Beträgt das Verhältnis von Einsekundenkapazität zu Vitalkapazität weniger als 70 Prozent, besteht eine Atemwegsobstruktion. Bei solchen Patienten besteht Verdacht auf eine COPD. Differenzialdiagnostisch ist aber auch an das Vorliegen von Asthma zu denken.

Ärzte Zeitung: Lässt sich das mit dem Reversibilitätstest klären?

Worth: Die Reversibilität der Obstruktion im Bronchospasmolysetest, also nach Inhalation von atemwegserweiternden Medikamenten, ist nach aktuellen Studiendaten ein nicht besonders zuverlässiges Kriterium für die Differenzialdiagnose. Ist die Obstruktion nach Bronchospasmolyse bei erneuter Spirometrie vollständig verschwunden, spricht das für Asthma. Ist sie aber nur teilweise weg, ist die Diagnose zweifelhaft. Früher sind wir davon ausgegangen, dass sich die Obstruktion bei einer COPD höchstens um 15 Prozent reduziert. Mittlerweile wissen wird, dass es auch COPD-Patienten mit einer stärkeren Reversibilität gibt. Daher müssen wir für die Diagnose weitere anamnestische Kriterien heranziehen. So sind anfallsweise auftretende Beschwerden typisch für Asthma. COPD-Patienten hingegen haben meist dauerhaft Atemnot unter Belastung, die mit der Zeit zunimmt.

Ärzte Zeitung: Worauf ist bei der Spirometrie zu achten, um falsche Messwerte zu vermeiden?

Worth: Um genaue Messwerte zu bekommen, ist man auf eine optimale Mitarbeit der Patienten angewiesen. Daher sollte man ihnen die notwendigen Atemmanöver eingehend erklären und sie einüben. An der Kurvenform lässt sich dann ablesen, ob die Atemmanöver genau befolgt wurden. Wichtig ist auch, dass jeweils drei Messungen gemacht werden. Zwischen höchstem und zweithöchstem Wert sollten nicht mehr als fünf Prozent Unterschied sein. Entscheidend ist auch die Eichung des Spirometers, am besten täglich. Und bei jeder Untersuchung sollte eine Nasenklemme benutzt werden.

Ärzte Zeitung: Welche Therapie eignet sich für Patienten, bei denen die COPD früh, etwa im Stadium I mit einem FEV1-Wert von mindestens 80 Prozent des Solls, erkannt wird?

Worth: Handelt es sich um Raucher, ist die Raucherentwöhnung nach wie vor die wichtigste Maßnahme. Denn bei erfolgreichem Entzug haben die betreffenden Patienten den Vorteil, dass ihre Lungenfunktion nicht so schnell abnimmt, wie wenn sie weiter rauchen würden. Und die Patienten kommen später oder gar nicht in eine Situation, in der sie sich nicht mehr körperlich belasten können und in der sie ihren Alltagsaktivitäten nicht mehr gewachsen sind.

Ärzte Zeitung: Was kann außerdem noch bei Patienten mit COPD im Frühstadium getan werden?

Worth: Wichtig ist auch zu prüfen, ob der Patient eventuell einen Beruf ausübt, in dem er stark durch Staub belastet wird. Hier denke ich zum Beispiel an Bergarbeiter. In einem solchen Fall sollte ein Arbeitsplatzwechsel erwogen werden. Dringend zu empfehlen ist auch die jährliche Grippeschutzimpfung. Denn nach den Ergebnissen von Studien schützt das vor Exazerbationen. Und diese beschleunigen bekanntlich die Progredienz der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung.

Ärzte Zeitung: Die Exazerbationsrate wird bei COPD auch durch körperliche Aktivität verringert. Gilt das auch im frühen Stadium?

Worth: Regelmäßige körperliche Aktivität ist für alle COPD-Kranken wichtig. Es liegen inzwischen auch Studiendaten vor, wonach auch schon Patienten im COPD-Stadium I im Vergleich zu Gesunden einen Bewegungsmangel haben. Und die Zahl der Exazerbationen ist bei denjenigen Patienten, die sich weniger bewegen, höher.

Ärzte Zeitung: Welche Sportarten sind zu empfehlen?

Worth: Auch im Frühstadium einer chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit ist vor allem ein Mix aus Ausdauersport und Krafttraining sinnvoll. Die Patienten sollten jedoch langsam auftrainieren, wenn sie vor der Diagnose keinen Sport getrieben haben. Hierfür empfehlen sich zum Beispiel ambulante Lungensportgruppen.

Die Fragen stellte Ingrid Kreutz.

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