Genetische Disposition für Adipositas wird weiter unterschätzt

ESSEN (run). Dem Willen zum Abnehmen stehen oft die Gene entgegen. Es ist dringend ein Umdenken notwendig, um dicke Menschen zu entstigmatisieren, hat Professor Johannes Hebebrand aus Essen zur "Ärzte Zeitung" gesagt.

Veröffentlicht:

"Wir gehen heute davon aus, daß unser Körpergewicht zu mindestens 50 Prozent von Genen gesteuert wird - also in einem ähnlichen Ausmaß wie unsere Körpergröße", sagt der Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Duisburg-Essen. Dieser hohe Anteil werde nach wie vor unterschätzt. Eine Folge davon sei, daß Therapieziele oft zu hoch gesteckt würden - mit frustranen Ergebnissen.

Dabei sei es Forschern in den vergangenen Jahren zunehmend gelungen, immer mehr Genorte zu identifizieren, die an der Steuerung von Hunger, Energieaufnahme und -Verbrauch beteiligt sind. "Eine wichtige Erkenntnis daraus ist, daß die Prädisposition für Adipositas polygenetisch determiniert ist", so Hebebrand.

"Das erschwert auch eine zielgerichtete Adipositas-Therapie, wie die enttäuschenden Versuche mit Leptin gezeigt haben: Der Hormonersatz wirkt nur bei jenen Patienten gewichtsmindernd, die eine funktionell relevante Mutation im Leptingen haben." Und die ist extrem selten. So ist in Deutschland bislang kein Patient mit einer solchen Mutation ermittelt worden. Hingegen gibt es bei etwa 2,5 Prozent aller extrem Adipösen in Deutschland Mutationen im Melanocortin-4-Rezeptor-Gen (MC4R).

Typisch bei ihnen ist das gemeinsame Vorkommen von Adipositas, roten Haaren und Kortisolmangel. Zwar gibt es für sie anders als bei Leptinmangel noch keine gezielte Therapie. Der MC4-Rezeptor wird aber derzeit intensiv in der Pharmaindustrie erforscht. Denn mit wachsendem Verständnis für die Regelkreise und Steuerungsmechanismen, die das Ansetzen von Fett begünstigen, sind nach Ansicht des Essener Wissenschaftlers für die Zukunft neue Therapieansätze zu erwarten, von denen dann alle Übergewichtigen profitieren könnten.

Doch zunächst plädiert Hebebrand dafür, mehr Augenmerk auf die Prävention von Adipositas zu richten. Ziel für Hebebrand muß es sein, möglichst schon bei Kindern mit der Veranlagung für Adipositas frühzeitig Eß- und Bewegungsverhalten positiv zu steuern. Denn ist ein Kind erst zu dick, fällt gerade bei einer genetischen Veranlagung das Abnehmen besonders schwer.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Phase-III-Studie

GLP-1-Agonist erfolgreich gegen metabolische Fettleber

Fettgewebe als Entzündungsorgan

Deshalb lohnt sich Abnehmen auch bei Gelenkrheuma

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Verträglichkeit von Rheuma-Medikamenten

Leberschäden durch Methotrexat? – Eher ist’s eine MASLD

Lesetipps
Älterer Mann mit Gesichtsnervenlähmung aufgrund des Eagle-Syndroms.

© Vladimir Arndt / stock.adobe.com

Kasuistik

Seltene Manifestation eines Eagle-Syndroms

Keine Hürden mehr: Websites sollen künftig so problemlos wie möglich zu erfassen und zu bedienen sein.

© VZ_Art / Stock.adobe.com

Neues Teilhabegesetz geht an den Start

So wird Ihre Praxis-Homepage barrierefrei