Geschockte Schüler werden psychologisch betreut

EMSDETTEN (dpa). Nach dem Amoklauf an einer Realschule im westfälischen Emsdetten haben die Ermittler gestern ihre Arbeit am Tatort fortgesetzt. Die in der Nacht unterbrochene Sicherung von Spuren wurde wieder aufgenommen, wie ein Polizeisprecher sagte. Die Ermittler müßten zudem die Frage klären, wie der 18 Jahre alte Täter an die Waffen und das Material für die Bomben gekommen ist.

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Ein Ex-Schüler hatte am Montag aus Rache seine frühere Realschule mit einem Arsenal von insgesamt 13 Gewehren, Sprengfallen und Rauchbomben überfallen und fünf Menschen angeschossen, bevor er sich selbst tötete. Insgesamt wurden bei dem Amoklauf 37 Menschen verletzt, der Hausmeister und ein Schüler schwer. 16 Polizisten erlitten eine Rauchvergiftung, eine Lehrerin und zwei weitere Schüler Schußverletzungen. Die übrigen Opfer haben laut Polizeiangaben einen Schock.

Die Geschwister-Scholl-Schule blieb gestern geschlossen. Die knapp 700 Schüler der Realschule und ihre Lehrer wollten sich gestern gemeinsam mit der Bluttat auseinandersetzen. Zudem werden sie psychologisch betreut.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und Schulministerin Barbara Sommer (CDU) suchten gestern das Gespräch mit Opfern, Eltern, Lehrern und Einsatzkräften.

Im Laufe des Tages sollte die Leiche des Amokschützen in der Rechtsmedizin Münster obduziert werden.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, bewertete die Gewalttat von Emsdetten gestern als ein neues Ausmaß von Brutalität. "Daß Sprengstoff im Spiel war, gibt dem Fall eine neue Dimension", sagte Freiberg im Gespräch mit der "Münsterschen Zeitung" (Dienstagausgabe).

Mit einer Bundesratsinitiative will Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ein Verbot von gewaltverherrlichenden Computerspielen erreichen. Ziel sei ein Herstellungs- sowie ein Verbreitungsverbot, sagte ein Sprecher des Ministeriums gestern in Hannover als Reaktion auf den Amoklauf von Emsdetten. Ein Herstellungsverbot sei zwar schwer umsetzbar, da der Großteil der Baller-Spiele im Ausland programmiert werde. Ein Verbot zur Verbreitung in Deutschland sei allerdings ein wichtiger erster Schritt.

Zudem fordert Schünemann die Abschaffung der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), eine von den Software-Herstellern unterstützte Einrichtung. Notwendig ist aus seiner Sicht ein neues Gremium zur Überprüfung von Computerspielen, das "rein in staatlicher Hand" liege. Die bisherigen Kontrollen seien offenbar zu lax, hieß es. Selbst bei Spielen, die ab 16 freigegeben sind, fließe reichlich Blut. Freiwillige Selbstkontrolle reiche offenbar nicht aus.

Die niedersächsischen Ministerien für Justiz, Soziales und Inneres wollen die Bundesratinitiative in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe vorbereiten.

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) kritisierte die bundesweit geringe Zahl an Schulpsychologen. Nach einer Studie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa) liege Deutschland an vorletzter Stelle beim Verhältnis von Schulpsychologen zu Schülern, sagte Bosbach gestern dem Bayerischen Rundfunk. Auch Bosbach sprach sich dafür aus, gewaltverherrlichende Computerspiele zu verbieten. Die Politik habe nach dem Amoklauf in Erfurt nicht konsequent genug reagiert.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, hat sich gegen spezielle Sicherheitsmaßnahmen an Schulen ausgesprochen. "Pädagogik und Unterricht und Bildung können nicht in einer Atmosphäre eines Hochsicherheitstraktes geschehen", sagte Kraus gestern im ZDF-"Morgenmagazin".

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