Impfexperten

Grippe-Impfung hätte 4.800 Leben retten können

Mit konsequenter Grippeimpfung ließen sich in Deutschland jedes Jahr mehrere tausend Todesfälle verhindern. Dazu müssten Ärzte den Schutz aber besser vermitteln, heißt es beim DGIM-Kongress.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Eigentlich nur ein Pieks: Wegen der nur moderaten Wirksamkeit des Grippe-Impfstoffs haben Ärzte die Impfung offenbar nur wenig angeboten.

Eigentlich nur ein Pieks: Wegen der nur moderaten Wirksamkeit des Grippe-Impfstoffs haben Ärzte die Impfung offenbar nur wenig angeboten.

© Digitalpress / stock.adobe.com

MANNHEIM. Angesichts der schwersten Grippewelle der letzten zehn Jahre haben sich Impfexperten während des Internistenkongresses für eine bessere Kommunikation bei der Grippeimpfung ausgesprochen.

Ärzte seien entscheidend dafür, dass sich die Risikogruppen auch impfen ließen. Es sei zudem nicht hinnehmbar, dass zum Beispiel nur noch jeder dritte über 60-Jährige gegen Influenza geimpft wird.

Mit besseren Impfraten hätte man die Epidemie deutlich abmildern können, betonte der STIKO-Vorsitzende Professor Thomas Mertens bei einer vom "Ärzteblatt" veranstalteten Podiumsdiskussion.

Die bundesweit in der noch laufenden Saison gemeldeten 1287 Todesfälle bei Patienten mit laborbestätigter Influenza (siehe nachfolgende Grafik) seien dabei nur die Spitze des Eisbergs. "Die wahren Zahlen liegen mindestens um den Faktor zehn höher", sagte der Virologe aus Ulm.

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Impfung zu selten angeboten

Grippesaison 2017/18

»Höchster Krankenstand der vergangenen zehn Jahre mit 6,2 Prozent der Beschäftigten im Februar.

»Rekordwerte: Gemeldet wurden 56.914 stationär behandelte Patienten sowie 1287 Todesfälle mit laborbestätigter Influenza.

»Ungenaues Bild: Die meisten Erkrankungen und Todesfälle in Folge von Grippe werden nicht erfasst. STIKO-Chef Professor Thomas Mertens geht von mindestens 12.000 Todesfällen durch Influenza aus.

Viele Ärzte würden aber die Impfung zu selten anbieten. "Wenn man von 12.000 Grippetoten im vergangenen Winter ausgeht, dann kann auch ein Impfstoff mit einer Wirksamkeit von nur 40 Prozent immerhin noch 4800 Todesfälle verhindern", sagte Mertens bei der Veranstaltung.

Um die Situation zu verbessern, seien vor allem bessere Impfraten nötig und keine Diskussion um eine angebliche Zweiklassenmedizin bei der Wahl eines drei- oder viervalenten Impfstoffs, betonte RKI-Präsident Professor Lothar H. Wieler bei der Veranstaltung.

Grippe werde unterschätzt und viele Menschen halten sie noch für eine Art Schnupfen. Es müsse daher auch stärker betont werden, dass Pneumonie, Sepsis oder ein Herzinfarkt die Folgen einer schweren Influenza sein könnten.

Bedenkliche Impflücken bei medizinischem Personal

Dem Infektiologen liegt dabei vor allem eine Verbesserung des Impfschutzes beim medizinischen Personal am Herzen.

Nach Studiendaten des RKI gebe es hier besonders bedenkliche Impflücken: Nur etwa 30 Prozent der Pflegekräfte und nur 60 Prozent der Ärzte hätten den Influenza-Schutz, so Wieler.

Besonders viele Ärzte hätten in der Untersuchung angegeben: "So toll ist die Wirksamkeit ja nicht, da muss ich mich ja nicht impfen lassen", sagte der RKI-Präsident.

Dass damit aber auch die anvertrauten Patienten geschützt werden sollen, werde außer Acht gelassen. Der durch Impfung erzielte Gemeinschaftsschutz müsse deutlicher vermittelt werden.

"Wenn ein Arzt nicht zu Impfungen steht, dann kann er auch Patienten nicht überzeugen", sagte Mertens dazu.

Eine unkonventionelle Idee hatte bei der Diskussion der Kabarettist und Arzt Dr. Eckhart von Hirschhausen: Wie eine Aids-Schleife sollten Ärzte einen Button auf dem Arztkittel tragen mit der Aufschrift: "Ich bin geimpft, sprechen Sie mich auf Ihre Impfungen an!"

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Kommentare
Dr. Karlheinz Bayer 18.04.201812:00 Uhr

diese Überschrift und der Text an sich, totaler Nonsens!


Es gibt eine kleine Geschichte über vermeintliche Ursachen und mutmaßliche Wirkungen, die heißt, man habe bei vielen Lungenkrebspatienten Streichhölzer gefunden, also lösen Streichhölzer Lungenkrebs aus.

Anders: meine Großmutter hat immer gesagt, im Februar sterben die Alten.

KEIN GESUNDER STIRBT AN EINER GRIPPE!
Bevor mir nicht alle 4800 Krankenblätter vorliegen werde ich dem Tenor dieses Beitrags sicherlich nicht zustimmen.

Dr. Martin Junker 17.04.201821:30 Uhr

Wer trägt wohl mehr Verantwortung?

Wenn Krankenkassen wider besseren Wissens zu teureren 3-fach Impfungen zwingen, die Menschenleben riskieren, dann muss man doch wohl nicht Ärzte für die mangelnde Impfrate verantwortlich machen! Die späte Festlegung des RKI, die noch längere, inakzeptable Entscheidungverweigerung des GeBA haben für die so stark verringerte Impfbereitschaft der Bürger/innen verursacht ("danach bin ich erst richtig krank geworden/ die hilft ja doch nicht "), da haben Andere als die Ärzte Schuld.

Dr. Thomas Georg Schätzler 17.04.201815:02 Uhr

Das klingt aber sehr nach: "Hätte, hätte, Fahrradkette..."

Denn ein beliebiges Hochschätzen um den Faktor 10 bei bundesweit bis letzte Woche gemeldeten 1.287 Todesfälle bei Patienten mit laborbestätigter Influenza in dieser Grippesaison ist infektionsepidemiologisches Kaffesatz-Lesen: "Die wahren Zahlen liegen mindestens um den Faktor zehn höher", sagte der Virologe und STIKO-Vorsitzende Professor Thomas Mertens aus Ulm.

Sollte das etwa ablenken davon, dass dass die WHO bereits am 21.2.2013 neben dem 3-fach-Impfstoff unter anderem auch eine 4-fach-Vakzine empfohlen hatte:
"Recommended composition of influenza virus vaccines for use in the 2013-14 northern hemisphere influenza season
21 February 2013
It is recommended that trivalent vaccines for use in the 2013-14 influenza season (northern hemisphere winter) contain the following:
an A/California/7/2009 (H1N1)pdm09-like virusa;
an A(H3N2) virus antigenically like the cell-propagated prototype virus A/Victoria/361/2011b*;
a B/Massachusetts/2/2012-like virus.
It is recommended that quadrivalent vaccines containing two influenza B viruses contain the above three viruses and a B/Brisbane/60/2008-like virusc.
a A/Christchurch/16/2010 is an A/California/7/2009-like virus;
b A/Texas/50/2012 is an A(H3N2) virus antigenically like the cell-propagated prototype virus A/Victoria/361/2011;
c B/Brisbane/33/2008 is a B/Brisbane/60/2008-like virus."
http://www.who.int/influenza/vaccines/virus/recommendations/2013_14_north/en/

Entsprechende Empfehlungen gab es für die Influenza-Saison 2014/2015
http://www.who.int/influenza/vaccines/virus/recommendations/2014_15_north/en/
und für 2015/2016
http://www.who.int/influenza/vaccines/virus/recommendations/2015_16_north/en/
bzw. für 2016/2017:
"Recommended composition of influenza virus vaccines for use in the 2016-2017 northern hemisphere influenza season
25 February 2016
It is recommended that trivalent vaccines for use in the 2016-2017 influenza season (northern hemisphere winter) contain the following:
an A/California/7/2009 (H1N1)pdm09-like virus;
an A/Hong Kong/4801/2014 (H3N2)-like virus;
a B/Brisbane/60/2008-like virus.
It is recommended that quadrivalent vaccines containing two influenza B viruses contain the above three viruses and a B/Phuket/3073/2013-like virus."
http://www.who.int/influenza/vaccines/virus/recommendations/2016_17_north/en/

Vgl. dazu auch
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/92262/Influenza-Krankenkassen-bezahlen-ab-Herbst-Vierfachimpfstoff

Und von einem Influenza-Impfstoff mit einer Wirksamkeit von 40 Prozent waren wir in dieser Grippe-Saison noch meilenweit entfernt.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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