Interview

Gute Karten bei Knochenmetastasen

Drei von vier Patientinnen mit Brustkrebs entwickeln im fortgeschrittenen Stadium Knochenmetastasen. Dank bewährter und neuer Therapiestrategien sind diese inzwischen gut behandelbar, sagt Professor Ingo Diel, niedergelassener Gynäko-Onkologe aus Mannheim und Vorsitzender der Deutschen Osteoonkologischen Gesellschaft.

Veröffentlicht:

Professor Ingo Diel

© SPGO Mannheim

Aktuelle Position: Professor Ingo Diel betreibt mit Kollegen eine Schwerpunktpraxis für gynäkologische Onkologie in Mannheim.

Werdegang:

1993 Habilitation in Heidelberg

1999 Verleihung des Titels Professor für Gynäkologie und Geburtshilfe (apl)

2001 Gründung der Schwerpunktpraxis für gynäkologische Onkologie in Mannheim

Seit 2010 Gründungsmitglied und Vorsitzender der Deutschen Osteoonkologischen Gesellschaft (bd)

Ärzte Zeitung: Welche therapeutischen Optionen hat man heute bei Knochenmetastasen?

Professor Ingo Diel: Knochenmetastasen bei Brustkrebs werden heute sehr komplex behandelt. Das heißt: Neben den klassischen Therapeutika wie Chemotherapie und antihormonelle Therapie werden auch osteoprotektive Substanzen eingebunden, zum Beispiel Bisphosphonate oder RANK-Ligand-Antikörper.

Gleichzeitig sollte bei Patientinnen mit Knochenmetastasen schon frühzeitig überlegt werden, ob eine Bestrahlung sinnvoll sein könnte. Meist wird heute erst bestrahlt, wenn schon Schmerzen da sind. Seit langem wird darüber diskutiert, ob nicht auch asymptomatische Knochenmetastasen in der Wirbelsäule bestrahlt werden sollten, um frühzeitig die Stabilität zu gewährleisten.

Das ist durch Studien zwar nicht belegt, im Einzelfall aber sinnvoll. Desweiteren sollte auch erwogen werden, ob nicht in einer mono- oder oligometastasierten Situation die Metastasen mit kurativer Intention bestrahlt werden sollten.

Ärzte Zeitung: Vor kurzem wurde der monoklonale Antikörper Denosumab zur Behandlung von Knochenmetastasen zugelassen.

Wie wirkt er?

Diel: Die neue Substanz namens Denosumab ( XGEVA®) ist ein sogenannter RANK-Ligand-Antikörper. Er greift in die Signalübertragung zwischen den einzelnen Knochenzellen ein. Wir wissen, dass RANK-Ligand von enormer Bedeutung für die Fusion und Aktivität der Osteoklasten ist.

Die Tumorzellen aktivieren die Osteoblasten, die wiederum RANK-Ligand bilden. Wenn RANK Ligand durch den Antikörper abgefangen wird, wird sowohl die Neubildung von Osteoklasten, als auch deren Aktivität gemindert.

Ärzte Zeitung: Wie unterscheidet sich die Wirkung der Bisphosphonate im Vergleich zu dem neuen Antikörper?

Diel: Die Bisphosphonate müssen zunächst einmal an die Knochenoberfläche angelagert werden und werden dann von aktiven Osteoklasten aufgenommen. Der Wirkmechanismus besteht darin, dass es im Osteoklasten zum programmierten Zelltod (Apoptose) kommt. Die Wirksamkeit tritt bei den Bisphosphonaten langsamer ein als beim Antikörper, lässt aber auch langsamer nach.

Ärzte Zeitung: Wie ist nun die klinische Wirkung des neuen Antikörpers gegenüber den bewährten Bisphosphonaten?

Diel: Denosumab hat den Vorteil, dass er viel schneller wirkt. Außerdem ist der Antikörper effektiver im Hinblick auf die Verminderung oder Verzögerung skelettaler Komplikationen (SRE) wie Knochenschmerzen, Frakturen und Rückenmarkskompressionen.

Das haben Zulassungsstudien gezeigt. Der Antikörper wurde in drei Phase-3-Studien gegen Zoledronsäure neben anderen Tumorarten auch bei Patientinnen mit fortgeschrittenen Brustkrebs und Knochenmetastasen bezüglich SRE getestet.

Es hat sich gezeigt, dass die Skelettkomplikationen im Median um 8,2 Monate später aufgetreten sind als unter Zoledronsäure. Auch die Schmerzprogression trat mit dem Antikörper um fast zwei Monate später auf, und es mussten weniger Patienten aufgrund starker Schmerzen auf eine Opioidbehandlung umgestellt werden.

Außerdem kann der Wirkstoff subkutan appliziert werden - 120 mg alle vier Wochen - und muss nicht als Infusion oder als Tablette gegeben werden.

Ärzte Zeitung: Muss die verbesserte Wirksamkeit mit stärkeren Nebenwirkungen erkauft werden?

Diel: Nein ganz im Gegenteil. Der Antikörper hat - was man bisher sagen kann - weniger Nebenwirkungen. Der Anteil der Akute-Phase-Reaktionen konnte gegenüber den Bisphosphonaten halbiert werden, und Denosumab ist nicht nierentoxisch. Allerdings: Wie bei den Bisphosphonaten auch kann es in bis zu zwei Prozent der Fälle zu Kieferosteonekrosen kommen.

Ärzte Zeitung: Gibt es einen Therapie-Algorithmus, erst Bisphosphonate, dann den RANK-Liganden?

Diel: Man muss mit allen Patientinnen, die Knochenmetastasen haben, über die neue Substanz sprechen und ihnen wegen der verbesserten Wirksamkeit und der geringeren Nebenwirkungen diese Therapie anbieten. Bei Patientinnen mit neu diagnostizierten Knochenmetastasen setze ich den Antikörper sofort ein.

Ärzte Zeitung: Wäre die Substanz auch in der Adjuvanz zur Prävention von Knochenmetastasen eine Option?

Diel: Dieser Frage wird zunächst in einer ersten Studie außerhalb Deutschlands nachgegangen. Auch hierzulande läuft in den nächsten Wochen eine Studie dazu an. Auf die Ergebnisse werden wir noch einige Jahre warten müssen. Doch spricht viel dafür, dass der Antikörper genauso wie die Bisphosphonate auch in der Prävention von Knochenmetastasen sinnvoll eingesetzt werden könnte.

Das Interview führte Ingeborg Bördlein

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