Gute Noten für Bypass-Op

Welche Option ist für Menschen mit ausgepräger Koronarerkrankung besser: die Bypass-Operation oder die Katheter-Behandlung? Eine Studie mit 190.000 Teilnehmern hat beide Techniken verglichen.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Im Herzkatheterlabor: Die Zahl der perkutanen Koronarinterventionen steigt seit Jahren.

Im Herzkatheterlabor: Die Zahl der perkutanen Koronarinterventionen steigt seit Jahren.

© dpa

CHICAGO. Für die Debatte, ob zur Revaskularisation bei ausgeprägter Koronarerkrankung eine Bypass-Operation oder perkutane Intervention per Herzkatheter die bessere Option ist, liefert eine Studie bei rund 190.000 KHK-Patienten in den USA jetzt neue Munition.

Die Ergebnisse verschaffen den Herzchirurgen ein wenig Rückenwind.

Die Zahl koronarer Bypass-Operationen ist seit Jahren rückläufig, die Zahl der perkutanen Koronarinterventionen (PCI) hingegen steigt und steigt.

Interventionelle Kardiologen trauen sich mit der weniger invasiven Herzkatheter-Behandlung zunehmend an KHK-Patienten mit komplexen Gefäßläsionen wie Hauptstammstenose und koronare 3-Gefäßerkrankung heran, die bisher den Herzchirurgen vorbehalten waren.

Mortalitätsrate bei Bypass-Operierten war vier Jahre nach der Op niedriger

Herzchirurgen sehen dies mit Skepsis. Sie glauben, dass "der Trend zur vermeintlich schonenderen PCI längerfristig gesehen für die Patienten mit erheblichen Nachteilen einhergeht", wie die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) vor Kurzem verlauten ließ.

Berufen konnte sich die Fachgesellschaft dabei auf die im Oktober 2011 vorgestellten 4-Jahres-Ergebnisse der SYNTAX-Studie, in der 1800 KHK-Patienten mit Hauptstammstenosen und / oder Dreigefäßerkrankung entweder koronarchirurgisch oder interventionell (PCI plus Taxus-Stent) behandelt worden waren.

Nach vier Jahren war erstmals ein signifikanter Überlebensvorteil in der Gruppe der Patienten mit Bypass-Op beobachtet worden: Die Mortalitätsraten lagen zu diesem Zeitpunkt bei 8,8 Prozent und 11,7 Prozent.

Neue Studie bestätigt Ergebnisse

In die gleiche Richtung deuten Ergebnisse einer ganz anders konzipierten Studie, die Dr. William Weintraub jetzt beim Kongress des American College of Cardiology (ACC) in Chicago vorgestellt hat. Die Arbeit wurde zeitgleich online publiziert im "New England Journal of Medicine" (2012; online am 27. März).

Für den Vergleich von Bypass-Operation und PCI wurden zwei umfangreiche medizinische Datenbanken der ACCF (American College of Cardiology Foundation) und der herzchirurgischen Fachgesellschaft STS (Society of Thoratic Surgeons) genutzt.

Zwischen 2004 und 2008 erhobene Daten von mehr als 86.000 Patienten mit Bypass-Op und rund 103.500 Patienten mit PCI - alle waren mindestens 65 Jahre alt und hatten eine 2- oder 3-Gefäßerkrankung - wurden unter dem Aspekt der Gesamtmortalität analysiert.

Nach einem Jahr unterschieden sich die Mortalitätsraten in beiden Gruppen nur marginal. Das änderte sich nach vier Jahren: Zu diesem Zeitpunkt war die Mortalitätsrate in der Bypass-Gruppe signifikant niedriger als in der PCI-Gruppe (16,4 versus 20,8 Prozent).

Kein schlagender Beweis

Der schlagende Beweis für die Überlegenheit der Bypass-Op ist dieses Ergebnis aber nicht. Dazu ist die Beweiskraft angesichts der bekannten methodischen Limitierungen einer Beobachtungsstudie zu beschränkt.

Wie selten zuvor haben sich die Autoren bemüht, mit allen ausgeklügelten Methoden der modernen Statistik "verzerrende" Ungleichheiten und Unterschiede ("residual confounding") zwischen beiden Gruppen zu bereinigen.

Absolute Gewähr, dass dabei alle potenziellen Einflussfaktoren berücksichtigt wurden, können sie aber nicht geben.

Beachtenswert ist die Studie dennoch. Die tägliche Praxis wird dadurch zwar wohl nicht dramatisch verändert werden. Ganz ohne Wirkung bleibt die Studie aber möglicherweise nicht.

Studienleiter Weintraub jedenfalls ist der Ansicht, dass die Ergebnisse der aktuellen Studie helfen können, die gemeinsame Entscheidungsfindung über die optimale Behandlungsmethode - sei es im Dialog zwischen Arzt und Patient, aber auch zwischen Herzchirurg und Kardiologe - künftig auf eine solidere Grundlage zu stellen.

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