HIV-Therapeuten schöpfen aus großem Präparate-Fundus

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Mehr als 20 antiretrovirale Medikamente haben die Behandlung HIV-Infizierter bereichert - aber auch aufgrund der Kombinationsmöglichkeiten komplizierter gemacht. Standard ist die Kombinationstherapie mit drei Medikamenten aus wenigstens zwei verschiedenen Medikamentenklassen. Weniger erfolgreich ist die schon früh begonnene Impfstoffentwicklung. Bisher gibt es nur einen Impfstoff in der Studienphase 3.

Gegen HIV in Deutschland zugelassene Medikamente
Nukleosid-Analoga
Falsche Nukleinsäure-Bausteine, die das Enzym Reverse Transkriptase hemmen
Abacavir (Ziagen®)
Didanosin (Videx®)
Emtricitabin (Emtriva®)
Lamivudin (Epivir®)
Stavudin (Zerit®)
Zalcitabin (Hivid®)
Zidovudin (Retrovir®)

Kombinationen

Lamivudin plus Zidovudin (Combivir®)
Lamivudin plus Zidovudin plus Abacavir (Trizivir
®)
Lamivudin plus Abacavir (Kivexa
®)
Tenofovir plus Emtricitabin (Truvada
®)

Nukleotid-Analogon

Hemmt das gleiche HIV-Enzym wie die Nukleosid-Analoga

Tenofovir (Viread®)
Nicht-Nukleosid-Analoga

Binden direkt an das Enzym Reverse Transkriptase

Efavirenz
(Sustiva®)
Nevirapin (Viramune®)
Protease-Hemmer

HIV-Zusammenbau wird durch Hemmung der Protease blockiert

Amprenavir

(Agenerase®)

Atazanavir

(Reyataz®)

Fosamprenavir

(Telzir®)

Indinavir

(Crixivan®)

Lopinavir plus Ritonavir

(Kaletra®)

Nelfinavir

(Viracept®)

Ritonavir

(Norvir®)

Saquinavir

(Invirase®, Fortovase®)

Tipranavir (Aptivus®)
Fusionshemmer

Verhindert das Andocken von HIV an die Zellen

Enfuvirtid (Fuzeon®)
Quelle: modifiziert nach Salzberger, Tabelle: FORSCHUNG UND PRAXIS / ÄRZTE ZEITUNG
HIV-Therapeuten haben derzeit die Wahl zwischen mehr als 20 Mono- und Kombinationspräparaten.

Die Prognose von HIV-Infizierten hat sich durch die verbesserte medikamentöse Versorgung im Vergleich zum Beginn der Pandemie vor mehr als zwei Dekaden drastisch verbessert: "HIV-Infizierte, die medizinisch versorgt werden, sterben heute nicht mehr an HIV, sondern mit HIV", sagt der HIV-Therapeut Dr. Hans Jäger aus München. "Die Todesfälle, die wir sehen, sind Folgen von Herzkreislauf-Erkrankungen und manchmal auch von einer Koinfektion mit Hepatitis-Viren."

Durch die in den vergangenen zwei Jahrzehnten stetig gestiegene Zahl von Medikamenten gegen den Aids-Erreger HIV ist die Behandlung der Infizierten viel erfolgreicher als früher geworden.

Sie ist aber auch komplizierter geworden, weil die Kombinationsmöglichkeiten heute zwar größer sind, aber zugleich nicht alle möglichen Kombinationen sinnvoll und effektiv sind.

Zur Verfügung stehen inzwischen antiretroviral wirksame Medikamente, die fünf unterschiedlichen Gruppen zugeordnet werden:

  • Nukleosid-artige Hemmstoffe der Reversen Transkriptase von HIV,
  • Nukleotid-artige Hemmer der Reversen Transkriptase,
  • Nicht-Nukleosid-artige Hemmstoffe der Reversen Transkriptase,
  • Hemmstoffe des Enzyms Protease von HIV,
  • Fusions-Hemmstoffe, die das Eindringen von HIV in Zellen verhindern.

Insgesamt gibt es inzwischen mehr als 20 Medikamente aus diesen fünf Gruppen für die Therapie HIV-Infizierter. Zudem werden einige weitere neue Mittel derzeit mit ermutigenden Ergebnissen in klinischen Studien geprüft, etwa gegen das HIV-Enzym Integrase oder weitere Fusions-Hemmer.

Nachdem sich gezeigt hatte, daß sich die Plasmaspiegel anderer Protease-Hemmer anheben - also boostern - lassen, wenn man sie mit dem Protease-Hemmer Ritonavir (in niedriger Dosis) kombiniert verabreicht, hat sich diese Kombinationsmöglichkeit etabliert: Die meisten Protease-Hemmer gibt es deshalb heute in der Fixkombination mit niedrigdosiertem Ritonavir.

Die Verbesserung der medikamentösen Versorgung HIV-Infizierter spiegelt sich darin wider, daß die Behandelten länger als bisher weitgehend symptomlos leben können - einige bereits seit mehr als zehn Jahren.

Die HIV-Infektion ist zu einer chronischen Erkrankung geworden, mit der Folge, daß die Infizierten heute auch wegen Erkrankungen behandelt werden müssen, die nichts mit der Infektionskrankheit zu tun haben, etwa Herzkreislauf-Erkrankungen oder Tumoren wie das Bronchial-Ca.

Die Behandlung HIV-Infizierter ist einfacher geworden, weil durch entsprechende Kombinationspräparate die Zahl der Tabletten und Kapseln, die täglich eingenommen werden müssen, heute viel geringer ist als etwa noch vor zehn Jahren.

Ein- oder zweimal tägliche Tabletteneinnahmen sind inzwischen möglich, was die Compliance deutlich verbessert. Durch die Kombinationstherapie soll verhindert werden, daß sich resistente Aids-Erreger entwickeln.

Es gibt inzwischen mehrere Präparate mit einer fixen Kombination aus zwei antiretroviral wirksamen Substanzen und eines mit drei HIV-Medikamenten. Ein weiteres Medikament mit einer Dreifach-Fixkombination wird derzeit entwickelt.

Standardkombinationstherapie bei HIV-Infizierten ist derzeit die Behandlung mit zwei Nukleosid-artigen Hemmstoffen der Reversen Transkriptase (RT) plus einem Protease-Hemmer oder einem Nicht-Nukleosid-artigen Hemmstoff der RT. Um die Behandlung weiter zu vereinfachen, wird in Studien auch die Monotherapie mit bereits etablierten oder neuen Substanzen geprüft.

Wie letztlich die beste antiretrovirale Therapie aussieht, ist noch immer unklar. Sie muß sich individuell am Patienten ausrichten: an der Compliance, der Verträglichkeit, an den Bedürfnissen der Patienten - etwa im Zusammenhang mit dem Tagesablauf oder dem Drogengebrauch -, an der Ernährung und den Begleiterkrankungen. (ple)

Moderne Vakzine macht Antikörper und Zellen scharf

Die Hoffnungen auf eine baldige Vakzine gegen HIV haben sich nicht erfüllt. Bisher gibt es nur eine Studie, eine Präventionsstudie, die sich bereits in Phase 3 befindet. Die Wirksamkeit des Impfstoffs der Unternehmen Aventis und VaxGen wird derzeit an 17 000 Menschen in Thailand geprüft. Es ist die erste Impfung gegen HIV, in der die Wirksamkeit des Prime-Boost-Schemas - also Grundimmunisierung und Auffrischimpfung - geprüft wird. Zunächst wird mit einer Genfähre aus abgeschwächten Vogelpocken-Viren mit mehreren HIV-Genen grundimmunisiert und dann mit einem rekombinanten HIV-Protein aufgefrischt. Moderne Vakzinen stoßen sowohl die Entwicklung von Antikörpern gegen HIV als auch die Aktivierung HIV-spezifischer zytotoxischer T-Zellen an. Ein solcher Impfstoff, entwickelt vom Vaccine Research Centre an den US-Nationalen Gesundheitsinstituten, wird ab April in Zusammenarbeit mit Dr. Michael Hölscher von der Uni München in Tansania geprüft. (ple)

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