Neue Studiendaten

Hoher BMI noch gefährlicher als bisher gedacht

Bei übergewichtigen Menschen ist das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen im Vergleich zu Menschen mit einem normalen BMI doppelt so hoch, bei schwer übergewichtigen Menschen sogar fünfzehnfach höher als bei Normalgewichtigen.

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Eine neue Studie belegt deutlich: Je höher der BMI, desto mehr ist das Herz in Gefahr.

Eine neue Studie belegt deutlich: Je höher der BMI, desto mehr ist das Herz in Gefahr.

© Kurhan / Fotolia

LONDON. Die Erkenntnis an sich ist nicht neu, dass Übergewicht, bzw. ein hoher Body-Mass-Index (BMI) das Risiko erhöht, an Herzkreislauf-Leiden zu erkranken. Wie erschreckend groß dieses Risiko ist, haben nun britische Forscher in einer groß angelegte Studie nachgewiesen. Dazu wurden ingesamt 16 Studien aus den USA und Europa mit über 120.000 Teilnehmern ausgewertet. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin "Lancet Public Health" veröffentlicht (dx.doi.org/10.1016/S2468-2667(17)30074-9).

In der Studie des Departments of Epidemiology and Public Health am University College London haben die Wissenschaftler über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren die Daten von 120.813 Männern und Frauen im Alter ab 35 Jahren (im Mittel 51 Jahre) ausgewertet. Zu Studienbeginn hatten sie weder Diabetes-Typ 2, noch Herzerkrankungen oder einen Schlaganfall in der Anamnese.

Die Ergebnisse nach Studienende sind alarmierend. Das Risiko für kardiometabolische Erkrankungen war bei Übergewichtigen Studienteilnehmern (BMI 25-30) doppelt so hoch wie bei nomalgewichtigen Kontrollpersonen. Bei Adipositas Grad I (BMI 30-35), war das Risiko bereits fünffach höher, bei Adipositas Grad II (BMI 35-40) und III (BMI über 40) sogar fast fünfzehnfach. Das galt für Männer und Frauen, ältere und jüngere Studienteilnehmer gleichermaßen und war auch nicht abhängig von der Hautfarbe, wie die Forscher berichten.

Die genauere Analyse der kardialen Folgen ergab dann für die schwer übergewichtigen Patienten (Grad II und III) eine 2,2-fach erhöhtes Risiko für vaskuläre Komplikationen allein (KHK und Schlaganfall), ein zwölffach erhöhtes Risiko für vaskuläre Kompliaktionen und Diabetes in Folge, ein fasdt 19-fach erhöhtes Risiko für Diabetes allein und ein knapp 30-fach erhöhtes Risiko für Diabetes und einer kardivaskulären Komplikation in Folge.

Bereits im Verlauf der Untersuchung sei deutlich geworden, dass schon bei einer Adipositas Grad I das Risiko für das Auftreten eines Typ-2-Diabetes, einer koronaren Herzerkrankung sowie eines Schlaganfalls deutlich steigt, kommentiert die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten die Studie.

"Die Untersuchung zeigt, wie wichtig weltweit die Bekämpfung von Übergewicht ist und unterstreicht umso mehr die Forderungen nach einer wirkungsvollen bevölkerungsweiten Prävention", betont Dr. Dietrich Garlichs, Sprecher der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) in einer Pressemitteilung.

"Die Ergebnisse der Studie betonen die medizinische Notwendigkeit, Patienten mit Übergewicht und Gefäßerkrankungen frühzeitig auf Diabetes zu untersuchen und die Aufmerksamkeit ebenso auf die Prävention von Gefäßerkrankungen bei übergewichtigen Personen mit Diabetes zu lenken", ergänzt Professor Dr. med. Manfred James Müller, Vorstandssprecher des Kompetenznetzes Adipositas und Vertreter der Deutschen Adipositas-Gesellschaft.

Weltweit hat sich den Angaben von DANK zufolge seit 1980 die Rate der Adipositas in mehr als 70 Ländern verdoppelt. So waren laut einer Studie, die kürzlich im New England Journal of Medicine vorgestellt wurde (DOI: 10.1056/NEJMoa1614362), im Jahr 2015 insgesamt 107,7 Millionen Kinder und 603,7 Millionen Erwachsene adipös. Global sind etwa vier Millionen Todesfälle auf die Ursache Übergewicht zurückzuführen – rund 70 Prozent der Todesfälle, die mit einem hohen Body-Mass-Index zusammenhingen, gingen auf das Konto von Herzkreislauf-Erkrankungen. (run)

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 03.07.201715:25 Uhr

Hoher BMI k e i n Gesundheits-Parameter und viel gefährlicher als gedacht!

Grundsätzlicher Denkfehler bisheriger Studien und Metaanalysen ist, dass der BMI keine eigene Krankheitsentität darstellt, welche die allgemeine Mortalität direkt beeinflusst. Oder genauer ausgedrückt:
Der Body-Mass-Index (BMI) ist ein reiner Surrogat-Parameter, der weder Morbidität noch Mortalität detektieren, identifizieren, abbilden oder demaskieren kann. Den BMI als isoliertes Einzelsymptom zu einer nosologisch greifbaren Krankheitsentität hochstilisieren zu wollen ist schlicht und ergreifen töricht! Ganz so, als sei ausgerechnet der BMI oder der Bauchumfang die Krankheit, die man zu behandeln vorgibt?

Musterbeispiele für Denkfehler dieser Art zeigen die Autoren von "Change in Body Mass Index Associated With Lowest Mortality in Denmark, 1976-2013"
http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=2520627
welche mit naivem Empirismus unreflektiert BMI-Daten mit dem dänischen Mortalitätsregister verknüpft haben.

Man stirbt nicht a n einem BMI, sondern m i t einem abnehmenden BMI bei konsumierenden Tumorerkrankungen, kardialer, pulmonaler oder renaler Kachexie, Altersdegeneration und -exsikkose bzw. allgemeinen alterungsbedingten Organ-Abbauprozessen. Deswegen spricht ein relativ hoher BMI mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen derartige präfinale Zustände.

Das paradoxe "Obesity" Paradoxon wird in zahlreichen Studien beschrieben. Exemplarisch eine für die, welche alle demselben "bias" (Annahmefehler) unterliegen, von P. Costanzo et al.: "The Obesity Paradox in Type 2 Diabetes Mellitus: Relationship of Body Mass Index to Prognosis", Ann Intern Med 2015;162:610-618; doi:10.7326/M14-1551

Es ist der Katabolismus, der bei schweren, konsumierenden Begleiterkrankungen mit erhöhter Mortalitätsrate z. B. bei Tumorkachexie oder pulmonaler, COPD-bedingter Kachexie sich maskiert und mit erhöhter Mortalität in der Gruppe der Norm- bis Untergewichtigen hineinträgt.

In der Mega-Metaanalysen-Studie von K. M. Flegal et al. wurden 97 prospektive Studien, vornehmlich aus den USA und Europa, mit mehr als 2,88 Millionen Menschen und über 270.000 Todesfällen ausgewertet. In "Association of All-Cause Mortality With Overweight and Obesity Using Standard Body Mass Index Categories" (JAMA. 2013;309(1):71-82) war die Mortalität bei BMI-Normalgewicht deshalb erhöht, weil der von K. M. Flegal et al. verwendete "cut-off" eines BMI von größer oder gleich 18,5 (bis 24,9) betrug.

Einem BMI von 18,5 entspricht bei einer Größe von 180 cm nur noch 59 kg Körpergewicht. Dies führt zu einer statistisch verzerrenden E r h ö h u n g der Mortalität in der Population der noch normgewichtigen Patienten und dann später katabol-krankheitsbedingt weiter Untergewichtigen gegenüber den Übergewichtigen mit ihrem noch anabolen Stoffwechsel.

Vergleichbar ist damit die Schlussfolgerung einer Diabetes-Studie: "Conclusion: Adults who were normal weight at the time of incident diabetes had higher mortality than adults who are overweight or obese" (JAMA. 2012;308(6):581-590). Denn Adipöse haben gute, therapeutisch zugängliche Gründe für ihren Typ-2-Diabetes: Bewegungsmangel, metabolisches Syndrom, Insulinmangel bei relativer Betazellinsuffizienz und zunehmende Insulinresistenz.

Normalgewichtige mit Typ-2-D. m. haben dagegen eine progrediente, absolute Betazellinsuffizienz mit dramatischerem Krankheitsverlauf und höherer Mortalität, was idiopathisch, metabolisch oder genetisch determiniert sein könnte.

Auch das ''Adipositas-Paradoxon'' bei systolischer Herzinsuffizienz bleibt rätselhaft. Übergewicht erhöht das Herz-Kreislauf-Risiko bei Gesunden. Wer bereits erkrankt ist, profitiert eher vom Übergewicht: "The obesity paradox in men versus women with systolic heart failure" (Am J Cardiol. 2012 Jul 1;110(1):77-82). Dabei wurde auch die kardiopulmonale Kachexie übersehen.

Patienten mit fortgeschrittener, schwerer Herzinsuffizienz entwickeln in der Endstrecke NYHA IV eine katabole

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