Wissenslücken

In Sachen Mitralklappeninsuffizienz hapert es bei Ärzten

Das Wissen vieler Ärzte zum Management der Mitralklappeninsuffizienz ist offenbar ausbaufähig. In einer aktuellen Umfrage lagen sowohl Hausärzte als auch Kardiologen in einigen Punkten häufig daneben.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Herzklappenerkrankung? Ärzte greifen wohl zu selten zum Stethoskop.

Herzklappenerkrankung? Ärzte greifen wohl zu selten zum Stethoskop.

© Squaredpixels / Getty Images / iStock

Die aktuellen Leitlinienempfehlungen zum Management der Mitralklappeninsuffizienz sind offenbar noch nicht vollständig in den Praxisalltag vorgedrungen. Jedenfalls taten sich in einer von der europäischen Kardiologie-Gesellschaft (ESC) initiierten Umfrage diesbezüglich Lücken auf (Eur Heart J 2018; online 2. Januar). Die daran teilnehmenden Ärzte sollten anhand von drei klinischen Fällen erläutern, wie sie bei der Diagnostik, Therapie und dem längerfristigen Management folgender drei Fälle vorgehen würden:

  • Fall 1: Ein Patient mit schwerer primärer asymptomatischer Mitralklappeninsuffizienz.
  • Fall 2: Ein älterer Patient mit schwerer primärer symptomatischer Mitralklappeninsuffizienz.
  • Fall 3: Ein Patient mit ischämischer Herzerkrankung und schwerer sekundärer Mitralklappeninsuffizienz.

An der Umfrage haben 115 Allgemeinmediziner, 439 Kardiologen oder Chirurgen (224 waren spezialisiert) aus sieben europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Spanien, Schweden und Großbritannien) teilgenommen.

Trotz eingeschränkter Sensitivität: Auskultieren!

Das Ergebnis führt vor Augen, dass es im Praxisalltag nicht selten schon an Grundlegendem hapert. So hätte gerade einmal gut die Hälfte der befragten Allgemeinmediziner (54 Prozent) bei dem Patienten mit asymptomatischer primärer Mitralklappeninsuffizienz (Fall 1) zum Stethoskop gegriffen und die Herztöne abgehört.

 "Trotz der eingeschränkten Sensitivität ist die Auskultation die einzige Möglichkeit, um Herzklappenerkrankungen in der breiten Bevölkerung aufspüren zu können", weisen die Autoren um Professor Barnard Lung von der Universität Paris-Diderot hin. Fast jeder vierte Hausarzt (22 Prozent) hätte den Patienten mit einem eindeutig abnormalen Herzgeräusch nur an einen Spezialisten weiter verwiesen, wenn das Geräusch persistiert hätte.

Jeder fünfte Hausarzt hätte bei dem Patienten mit asymptomatischer primärer Mitralklappeninsuffizienz (Fall 1) auf echokardiografische Nachuntersuchungen verzichtet, es sei denn es wären Beschwerden aufgetaucht.

In einer Selbsteinschätzung ihrer Fähigkeiten gaben 40 bis 45 Prozent der Allgemeinmediziner zu, dass sie bezüglich des Beschwerdebildes einer Mitralklappeninsuffizienz Wissenslücken hätten. Aber auch die Kenntnisse der Spezialisten sind offenbar noch ausbaufähig.

75 Prozent der Kardiologen beziehungsweise Chirurgen waren zwar dazu in der Lage, anhand der echokardiografischen Befunde die zwei Fälle von primärer Mitralklappeninsuffizienz (Fall 1 und 2) als solche korrekt zu erkennen und den Schweregrad richtig einzuteilen. Allerdings hätte nur knapp die Hälfte der Spezialisten (44 Prozent) den Schweregrad der sekundären Mitralklappeninsuffizienz (Fall 3) richtig erkannt, 32 Prozent hätten diese fälschlicherweise als nicht-schwer klassifiziert.

Kardiologen scheinen sich bezüglich der Einteilung einer sekundären Mitralklappeninsuffizienz also recht häufig unsicher zu sein, schlussfolgern die Studienautoren. Diese Unsicherheit rühre wahrscheinlich daher, dass sich die in den Leitlinien angegebenen spezifischen Grenzwerte auf weniger Evidenz stützen als die entsprechenden Werte für eine primäre Mitralklappeninsuffizienz.

Unsicherheit bei der Therapie-Strategie

Weniger souverän waren auch die Angaben zum weiteren therapeutischen Vorgehen bei sekundärer Mitralklappeninsuffizienz (Fall 3). Überraschenderweise hätten sich mehr als die Hälfte der Kardiologen hier für eine Intervention entschieden, obwohl die medikamentöse Therapie suboptimal gewesen sei, berichten Lund und Kollegen. Laut den Leitlinien ist ein chirurgisches Vorgehen allerdings nur in Betracht zu ziehen, wenn der Patient unter einer medikamentösen Therapie symptomatisch bleibt (IIbC).

Für eine Optimierung der Pharmakotherapie entschieden sich nur 51 Prozent der Allgemeinmediziner und 33 Prozent der Kardiologen, 63 Prozent hätten eine sofortige Intervention in Betracht gezogen, 35 Prozent hätten dann einen Mitraclip eingesetzt. Bei dem älteren Patienten mit primärer Mitralinsuffizienz (Fall 2) hätten sich 72 Prozent der Kardiologen berechtigterweise für eine Intervention entschieden (72 Prozent von ihnen hätten eine interventionelle Klappenrekonstruktion in Betracht gezogen).

Im Falle des asymptomatischen Patienten (Fall 1), bei dem eigentlich eine Indikation für einen operativen Klappenersatz bestand, hätten 27 Prozent der Hausärzte den Patienten nicht weiter zu einem Kardiologen überwiesen. Einige Kardiologen (19 Prozent) hätten sich allerdings gegen eine Operation und zunächst für eine rein medikamentöse Therapie entschieden, obwohl die Leitlinien hier ein chirurgisches Vorgehen empfehlen (I/IIa).

Die Studienautoren kommen daher zu dem Schluss, dass Ärzte bei primärer Mitralklappeninsuffizienz eine Pharmakotherapie zu oft und bei sekundärer Mitralklappeninsuffizienz zu selten einsetzen.

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