Qualität statt Quantität

Intelligente Menschen haben weniger Nervenzellverbindungen

Von wegen die Masse macht's: Clevere Individuen haben zwar größere Gehirne, aber weniger Verbindungen zwischen den Nervenzellen. Forscher können dieses paradoxe Verhältnis nun auch erklären.

Veröffentlicht:
Neuron mit Dendriten (rote Fortsätze) und Axon (grün). Informationen werden von den Dendriten gesammelt und im Zellkörper gebündelt. Das Axon leitet sie wie ein langes Kabel an benachbarte Zellen weiter.

Neuron mit Dendriten (rote Fortsätze) und Axon (grün). Informationen werden von den Dendriten gesammelt und im Zellkörper gebündelt. Das Axon leitet sie wie ein langes Kabel an benachbarte Zellen weiter.

© Bradke / MPI Neurobiol

BOCHUM. Umso intelligenter ein Mensch ist, umso weniger vernetzt sind seine Nervenzellen in der Großhirnrinde: Zu diesem Ergebnis gelangen Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum in einer Studie im Magazin "Nature Communications" (doi: 10.1038/s41467-018-04268-8). Die Forscher hatten 259 Probanden mittels der Methode Neurite Orientation Dispersion and Density Imaging (NODDI) – einer speziellen Form der Magnetresonanztomografie – untersucht und so die Anzahl der Dendriten in der Großhirnrinde gemessen, schreiben sie in einer Mitteilung.

Zusätzlich absolvierten die Untersuchten einen Intelligenztest. Als die Wissenschaftler die Ergebnisse beider Verfahren miteinander verglichen, stellten sie fest: Je intelligenter eine Person, desto weniger Nervenzellfortsätze existieren in ihren Hirnen.

Widersprüchliche Resultate

Das Ergebnis erscheint zunächst paradox: Frühere Studien hätten ergeben, dass intelligente Menschen tendenziell größere Gehirne haben, schreiben die Forscher in einer zugehörigen Mitteilung. "Man ging davon aus, dass größere Gehirne mehr Nervenzellen enthalten und somit eine höhere Rechenleistung erzielen könnten", sagt Erstautor Dr. Erhan Genç von der Ruhr-Universität.

Doch das stimmt nicht, resümieren die Forscher: "Intelligente Gehirne zeichnen sich durch eine schlanke, aber effiziente Vernetzung ihrer Neurone aus", erklärt Biopsychologe Genç. Dies bestätige Studien, nach denen schlaue Individuen weniger neuronale Aktivitäten beim Bearbeiten von Intelligenztests zeigten.

Eine Frage der Effizienz

Effizienz ist die Erklärung der Wissenschaftler. Ein intelligentes Gehirn erziele eine hohe Denkleistung bei möglichst geringer neuronaler Aktivität.

An der Studie nahmen neben den Bochumer Forschern auch Wissenschaftler der University of New Mexico, der Humboldt-Universität Berlin und des Lovelace Biomedical and Environmental Research Institute in Albuquerque teil. Die Erkenntnisse ihrer eigenen Untersuchung an 259 Testpersonen validierten die Teams durch Analysen des öffentlich zugänglichen Datensatzes Human-Connectom-Projekt: In 500 Stichproben fanden die Autoren den identischen Zusammenhang. (ajo)

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Kommentare
Dipl.-Psych. Hans-Joachim Krahe 17.05.201811:04 Uhr

die Definition von Intelligenz

ist vermutlich mal wieder die Krux. Die Lösung isolierter Problemstellungen, wie sie bei Intelligenztests (oftmals Auswahl- und Tauglichkeitstests), Prüfungen und Wettbewerben gefordert wird, basiert auf auf der richtigen Zuordnung bereits erlernter Inhalte. Kreatives Problemlösen, das für das Überleben in weniger geordneten Zusammenhängen relevant ist, erfordert innovative Vernetzungsstrategien. Zudem scheint die (Ressourcen-) Vernetzung im Alter an Relevanz für Lebensqualität zu gewinnen, während die Relevanz der beruflichen Funktionalität abnimmt.

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