Welt-Schlaganfall-Tag

Jeder Zehnte stirbt an Schlaganfall

Der Schlaganfall ist inzwischen die zweithäufigste Todesursache weltweit. Innerhalb von 20 Jahren stieg die Zahl der Schlaganfall-Patienten dramatisch an - vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Schlaganfall - ein Notfall. Im Vergleich zu 1990 überleben heutzutage viel mehr Betroffene den Schlaganfall.

Schlaganfall - ein Notfall. Im Vergleich zu 1990 überleben heutzutage viel mehr Betroffene den Schlaganfall.

© biky / imago

AUCKLAND. Die Anfang des Jahres veröffentliche Mammut-Untersuchung "Global Burden of Disease Study 2010" (GBD 2010) hat es bereits ans Licht gebracht: Schlaganfall ist weltweit die zweithäufigste Todesursache und der dritthäufigste Grund für durch Krankheit und Tod verlorene Lebensjahre.

Nun haben Neurowissenschaftler um Professor Valery Feigin Daten aus der GBD-2010-Studie noch etwas detaillierter mit Blick auf den Schlaganfall ausgewertet.

Dazu verglichen sie Angaben von 58 Studien aus Industrieländern sowie von 61 Studien zu Entwicklungs- und Schwellenländern (Lancet 2013; online 24. Oktober)

Knapp sechs Millionen Schlaganfalltote pro Jahr

Die wesentlichen Ergebnisse: Weltweit gab es nach diesen Daten im Jahr 2010 knapp 17 Millionen Menschen mit einem ersten zerebralen Insult, das waren 68 Prozent mehr als noch 1990.

Die Zahl der Menschen, die in ihrem Leben mindestens einen Schlaganfall erlitten hatten, war innerhalb von 20 Jahren auf 33 Millionen pro Jahr gestiegen (plus 84 Prozent).

An einem Schlaganfall starben im Jahr 2010 weltweit 5,9 Millionen Menschen - das sind 26 Prozent mehr als 1990. Etwa 10 Prozent aller Todesfälle lassen sich damit auf verstopfte oder geplatzte Hirngefäße zurückführen.

Die Zahl der deshalb durch Tod oder Krankheit verlorenen Lebensjahre stieg innerhalb von zwei Dekaden auf 102 Millionen (plus 12 Prozent).

Schwellen- und Entwicklungsländer tragen am stärksten zu dieser Entwicklung bei: Etwa 70 Prozent der jährlichen Apoplexien sowie der tödlichen Schlaganfälle treten dort auf.

Zunahme durch starkes Bevölkerungswachstum

Dass innerhalb von 20 Jahren die Zahl der von einem Schlaganfall betroffenen Menschen drastisch zunahm, lässt sich jedoch im Wesentlichen auf das starke Bevölkerungswachstum zurückführen. Schaut man sich die altersadjustierten Prävalenzen und Inzidenzen an, dann sind auch deutliche Fortschritte zu erkennen.

So sank etwa die Schlaganfall-Inzidenz in Industrienationen innerhalb von 20 Jahren um 12 Prozent (von 246 auf 217 pro 100.000 Einwohner). Besonders deutlich ging sie bei den über 75-Jährigen zurück (minus 16 Prozent).

Kontinuierlich gesunken ist in den Industrienationen im Laufe der 20 Jahre auch die Schlaganfall-bedingte Sterberate, und zwar von zuletzt 96,5 auf 60,5 pro 100.000 Einwohner - ein beachtlicher Rückgang um 37 Prozent.

Um den gleichen Prozentsatz sank auch die Rate der durch Behinderung und Tod verlorenen Lebensjahre (von 1538 auf 982 pro 100.000 Einwohner).

Es überleben also nicht nur immer mehr Menschen einen Schlaganfall, sie überleben ihn auch in einem deutlich besseren Zustand als noch vor 20 Jahren.

Anstieg der Inzidenz in Schwellenländern

Etwas anders sieht der Verlauf in Entwicklungs- und Schwellenländern aus. Hier ist die Schlaganfallinzidenz zwischen 1990 und 2010 um 12 Prozent gestiegen (von 152 auf 281 pro 100.000 Einwohner) und liegt deutlich über der altersadjustierten Inzidenz von Industrieländern.

Doch auch in diesen Ländern scheinen die Menschen inzwischen von einer verbesserten medizinischen Versorgung zu profitieren. So sank auch hier die Schlaganfall-Mortalität deutlich um 20 Prozent (von 130 auf 105 pro 100.000) - trotz steigernder Inzidenz.

In diesen Ländern erleiden die Menschen zwar häufiger einen Schlaganfall als noch vor 20 Jahren, sie sterben aber seltener daran. Die Schlaganfall-Sterberate liegt aber noch immer um 75 Prozent höher als in Industrienationen.

Inzidenz: Unter dem Strich geringfügige Zunahme

Da die Entwicklungs- und Schwellenländer vom Bevölkerungsanteil her stärker ins Gewicht fallen, nahm die Schlaganfallinzidenz unterm Strich global geringfügig zu (von 251 auf 258 pro 100.000 Einwohner).

Viel stärker stieg die Prävalenz, also die Zahl der Menschen, die im Laufe ihres Lebens einen Schlaganfall erlitten haben: Dieser Wert stieg global von 435 auf 502 pro 100.000 Einwohner (plus 15 Prozent).

Dagegen ging die Schlaganfall-Mortalität weltweit um ein Viertel zurück (von 117 auf 88 pro 100.000 Einwohner).

Auffallend ist auch, dass in absoluten Zahlen die meisten Schlaganfälle bei Menschen unter 75 Jahren auftreten - der Schlaganfall ist also nicht nur ein Problem von sehr alten Menschen, wenngleich das Risiko für den einzelnen Menschen mit steigendem Alter zunimmt.

Deutliche Unterschiede gibt es beim Alter, in dem ein Schlaganfall erstmals auftritt. Dieses hat sich in den vergangenen 20 Jahren kaum verändert, liegt in Industrieländer aber im Schnitt um fünf Jahre höher als in der übrigen Welt (74,5 versus 69,4 Jahre).

Bei einem tödlichen Schlaganfall sind Menschen in Industrienationen sogar um acht Jahre älter als in anderen Ländern (80 versus 72 Jahre).

Niedrigste Inzidenz in Mittelamerika und Australien

Am höchsten ist die Schlaganfallinzidenz übrigens in China und Ländern der ehemaligen Sowjetunion (über 340 pro 100.000 Einwohner), am niedrigsten in Mittelamerika und Australien (unter 135 pro 100.000 Einwohner), Westeuropa steht mit Inzidenzen zwischen 135 und 180 pro 100.000 Einwohner ebenfalls recht gut da.

Die Autoren der Studie sehen vor allem in der steigenden Inzidenz von Schlaganfall und der noch immer sehr hohen Mortalität in den Schwellen- und Entwicklungsländern ein gravierendes Problem.

Die steigende Inzidenz begründen sie mit einer zunehmenden Verbreitung des Tabakkonsums sowie anderer kardiovaskulärer Risikofaktoren in diesen Ländern.

Setzt sich der Trend fort, dann rechnen sie für das Jahr 2030 mit zwölf Millionen Schlaganfalltoten, 70 Millionen Schlaganfall-Überlebenden und 200 Millionen durch Krankheit und Tod verlorenen Lebensjahren.

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