Jenapharm einigt sich mit 184 Dopingopfern

Von Brigitte Düring Veröffentlicht:

Die Jenapharm GmbH & Co. KG hat mit 184 Opfern des staatlichen DDR-Dopingsystems die Zahlung von je 9250 Euro als freiwillige Entschädigung vereinbart. Zusätzlich stellt das Unternehmen dem Doping-Opfer-Hilfe-Verein in Weinheim 170 000 Euro als Spende zur Verfügung. Zu Zahlungen in gleicher Höhe hatte sich zuvor schon der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) verpflichtet (die "Ärzte Zeitung" berichtete).

"Mit der Zahlung wollen wir einen sozialen Beitrag leisten, um das Leid der Betroffenen zu lindern", sagte Jenapharm-Geschäftsführerin Isabel Rothe aus Anlass der Unterzeichnung der Vereinbarung mit den Opfer-Anwälten. Damit werde ein langwieriger Rechtsstreit vermieden, jedoch keine rechtliche Verantwortung von Jenapharm für Folgeschäden des staatlichen Dopingsystems anerkannt, so Rothe.

"Unabhängig von rechtlichen Fragen geht es auch um eine historische Bewertung der Rolle des VEB Jenapharm", ergänzte sie. Deshalb fördere das Unternehmen seit Juni 2005 auch ein von ihm in Auftrag gegebenes Forschungsprojekt der Universität Jena zur Aufarbeitung der Verantwortungsstrukturen des DDR-Dopingssystems.

Zwischenergebnisse des Forschungsprojektes hatten die Wissenschaftler unter Leitung des Jenaer Historikers Professor Lutz Niethammer vor kurzem bei einem Workshop in Jena zu Dopingpraktiken in Ost und West vorgestellt.

In den 1960er Jahren hat das Arzneimittelwerk Jenapharm in der DDR ein Anabolikum mit dem Wirkstoff Dehydrochlormethyltestosteron entwickelt und unter dem Markennamen Oral-Turinabol vertrieben. 1994 wurde das Präparat vom Markt genommen.

Von den "blauen Pillen" sollen allein im Jahr 1982, in der Hochzeit der weltweiten Dopingaktivitäten, 4,4 Millionen hergestellt worden sein. Etwa drei Prozent vom Apothekenverkauf wurden abgezweigt und gingen für "Testzwecke" an das Leipziger Institut für Körperkultur und Sport (FKS) und an den Sportmedizinischen Dienst der DDR. Die dort beschäftigten Trainer oder Sportmediziner verteilten sie dann an die Athleten, die zum Teil noch Jahrezehnte später unter den Folgen des Zwangsdopings leiden, berichtete Niethammer.

Dass das FKS Forschungen zum Doping betrieb und entsprechende Versuche an Sportlern vornahm, war einigen wissenschaftlichen Mitarbeitern der Jenapharm bekannt, erläuterte Dr. Klaus Latzel, einer der Autoren der Studie. Um "sich abzusichern", seien die Testpackungen für das Leipziger Institut in einem Begleitschreiben mit dem Vermerk "Nicht für den Einsatz am Menschen bestimmt" versehen worden.

Zur Einschätzung der Rolle von Jenapharm beim DDR-Doping und der Verantwortung des Unternehmens für gesundheitliche Schäden der Sportler, die auf die Einnahme von Hormon-Präparaten zurückzuführen sind, sagte Latzel: "Sobald der Staatsauftrag bei Jenapharm angekommen war (Mitte der 70er Jahre), gab es im Unternehmen verschiedene Handlungsmöglichkeiten. Um Aufträge umzusetzen, braucht es eigene Ideen, Kreativität, Eigeninitiative."

Diese hätten Mitarbeiter der Jenapharm-Forschung durchaus bewiesen. Der ehemalige Forschungsdirektor Michael Oettel sei zudem an Beratungen des FKS und an der Erarbeitung von Berichten des Instituts zur Doping-Forschung beteiligt gewesen. Als Quellen für diese Aussagen nannte Latzel Archive der chemischen Industrie der DDR. Im Archiv der Jenapharm hingegen "fanden sich nur wenig schriftlich fixierte Aussagen zu Dopingmitteln, entsprechende Unterlagen sind verschwunden", sind die Historiker überzeugt.

Der Abschlussbericht der Studie soll Ende 2007 vorgelegt werden.

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